#DigitalMindsKA – die Menschen hinter karlsruhe.digital: Martin Hubschneider

Martin Hubschneider

Die Initiative karlsruhe.digital vereint Karlsruher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung mit dem Ziel, Karlsruhe als Motor der Digitalisierung voranzutreiben – für Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Souveränität. Sie bündelt Expertenwissen, fördert Vernetzung und bearbeitet Themen ganzheitlich, um die digitale Zukunft der Stadt aktiv zu gestalten.
Und dahinter stehen Menschen. Menschen, die sich engagieren, für etwas brennen und genau deshalb ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Fachwissen einsetzen. Wer diese Menschen, die digitalen Köpfe, sind, möchten wir sichtbar machen. Einmal im Monat fragen wir die Digital Minds danach, was sie antreibt und welche Visionen sie haben.
Den Auftakt macht Martin Hubschneider, geschäftsführender Vorstand des CyberForum e.V., Vorstand der CAS Software AG, Initiator der Bunten Nacht der Digitalisierung – und einer der Vorsitzenden der Initiative karlsruhe.digital. 

Es ist Spätsommer und ziemlich heiß. Der Asphalt des TechnologieParks im Karlsruher Osten flimmert, flirrt und strahlt uns seine unerbittliche Hitze entgegen. Wir befinden uns auf dem Areal der CAS Software AG, ganz in der Nähe vom KIT Campus Ost, umgeben von weiteren Hightech-Unternehmen. Das Gelände strahlt neben der Hitze aber auch Gelassenheit und Ruhe aus. Die Grünflächen laden heute ganz besonders verführerisch dazu ein, sich eines der vielen schattigen Plätzchen zu suchen. Aber dafür ist jetzt keine Zeit, denn Zeit ist für Martin Hubschneider wertvoll. Wir treffen ihn in seinem Büro in jenem Unternehmen, das er selbst 1986 in Karlsruhe gegründet hat und das er bis heute mit unbändiger Vorstellungskraft führt. 

„Ich habe zum damaligen Zeitpunkt in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und mir war schon während meiner Studienzeit klar, dass ich den Schritt in die Selbstständigkeit gehen werde. In meinem ganzen Leben habe ich nur insgesamt vier Wochen als Angestellter gearbeitet – im Rahmen eines Praktikums bei Daimler,“ erzählt er uns zum Einstieg, während sein Blick durch die gläserne Front seines Büros über den sogenannten CAS Campus schweift. „Für mich war die Digitalisierung als Querschnittstechnologie schon immer der Innovationstreiber schlechthin – und gerade der Software-Bereich mit seinen Skalierungsmöglichkeiten erschien mir ein interessantes Feld zu sein, da hier in den 1980ern unglaublich viel Potenzial steckte. Wir haben uns zunächst zum Marktführer für Routenplaner und später als Marktführer im Mittelstand für CRM-Systeme (Customer Relationship Management) Schritt für Schritt hochgearbeitet. Als ersten Kunden haben wir damals Mercedes-Benz gewonnen,“ verrät er uns und wir können seine Begeisterung förmlich spüren.

Heute beschäftigt die CAS über 470 Mitarbeitende, davon über 400 in Karlsruhe. Während wir uns unterhalten, genießen viele von ihnen gerade ihr Mittagessen beim sogenannten Culinarium, der Kantine inmitten der parkähnlichen Anlage, das das Zentrum des quadratischen Bürokomplexes bildet. Jeden Tag wird hier frisch gekocht, schließlich studiert (oder arbeitet) ein hungriger Magen nicht gern.

Ein Leben für den IT-Standort Karlsruhe

Über die CAS will Martin Hubschneider mit uns aber gar nicht so viel sprechen, denn ihm liegt vor allem eines am Herzen: der IT-Standort Karlsruhe mit all seinen Facetten. Aus diesem Grund engagiert er sich seit Jahren als Vorstand im CyberForum e.V., Europas größtem regional aktivem Hightech.Unternehmer.Netzwerk. mit über 1.200 Mitgliedern. „Mit über 60 Festangestellten bieten wir unseren Mitgliedern im CyberForum viele Services an, durch die wir uns deutlich von anderen IT-Regionen abheben. Auf diese Weise haben wir das perfekte Ökosystem für IT-Unternehmen geschaffen. Ein gutes Beispiel dafür ist der neue Smart Production Park. Damit gehen wir in die Schnittstelle zwischen IT und Produktion und zeigen letztendlich auch, dass IT eine Querschnittstechnologie ist, die bereits heute über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen entscheidet,“ erklärt uns Hubschneider das neue Gründungs- und Wachstumszentrum für Startups im Bereich Smart Production, das seinen Platz ebenfalls auf dem Areal der Hoepfner Bräu hat und gerade erst eröffnet wurde. Finanziert von der Stadt Karlsruhe, dem Land Baden-Württemberg und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wird er in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Karlsruhe durch das CyberForum betrieben. Seit über 15 Jahren widmet sich das CyberForum u.a. der Vermittlung von Fachkräften und rückt deutschlandweit die IT-Region Karlsruhe ins Rampenlicht, so Hubschneider weiter. 

Und dann ist da noch ein weiterer Punkt, den der 63-Jährige im Gespräch hervorhebt: „Natürlich geht es bei einem solchen Netzwerk auch immer darum, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen: Um für Fachkräfte attraktiv zu sein, müssen nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Stadt selbst attraktiv sein – sei es nun durch umfassende Betreuungs- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche, eine gute Verkehrsinfrastruktur oder inspirierende Kultur- und Freizeitangebote.“

Für Karlsruhe hat Hubschneider deshalb auch eine ganz klare Vision. Auf unsere Frage, wo er die Stadt in 30 Jahren sieht, antwortet er ohne zu zögern: “eine der lebenswertesten Städte der Welt“. Eine zentrale Rolle spielt für ihn dabei die Digitalbranche: „Wenn man so will, gestalten wir mit ihr unsere Zukunft.“
Dass Karlsruhe diese Vision erreichen wird, davon ist Hubschneider vor allem deshalb überzeugt, weil es bereits heute zahlreiche Anstrengungen gibt, die Stellung als Digitalhochburg nachhaltig zu sichern und auszubauen. „Möglich wird all das durch das Karlsruher Prinzip der kurzen Wege: Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Kultur sitzen in Karlsruhe an einem Tisch und arbeiten zusammen daran, Karlsruhe zum Motor der Digitalisierung zu machen. Und dieses „Miteinander statt Gegeneinander“ ist keineswegs selbstverständlich, wie ich bei meinen Besuchen in anderen Städten immer wieder feststelle“, erklärt Hubschneider. 

Martin Hubschneider
Martin Hubschneider im Gespräch mit Kolleg*innen auf dem schönen CAS Campus. Foto: Netzoptimisten GbR

Dieses Karlsruher Prinzip der kurzen Wege findet sich in der Initiative karlsruhe.digital wieder. Diese ging aus dem Auftrag des Gemeinderats im Jahr 2014 hervor, die damalige „Internet-Hauptstadt Karlsruhe“ zu stärken, Zahlreiche Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung entschieden zu diesem Zeitpunkt, dass eine reine Imagekampagne zu kurz greifen würde und eine Kommunikationskonzept nicht ausreichen werde, die Vormachtstellung von Karlsruhe dauerhaft in der Zukunft fortzuschreiben. „Es war klar, dass es eine gemeinsame Anstrengung braucht“ erinnert sich Hubschneider „und das Ergebnis ist die Initiative karlsruhe.digital.“

In der Folge hat er in den vergangenen Jahren gemeinsam mit anderen Karlsruher Digital Minds Formate wie den AppArtAward (gemeinsam mit Prof. Peter Weibel und David Hermanns), die Bunte Nacht der Digitalisierung und das Innovationfestival @karlsruhe.digital ins Leben gerufen: „Sie helfen uns dabei, die Innovationskraft und die aus der Digitalisierung resultierende Vielfalt für die Bevölkerung erfahrbar zu machen. Sie geben aber auch den Unternehmen die Möglichkeit, sich als attraktive Arbeitgebende zu präsentieren und Fachkräfte in ganz Europa auf das hier herrschende Innovationsklima aufmerksam zu machen.“ Denn attraktive Arbeitgeber habe Karlsruhe reichlich. Auch Martin Hubschneider reiht sich mit der Auszeichnung der CAS als „Great Place to Work“ hier ein. Erst im Juni wurde die CAS außerdem im Rahmen des Innovationswettbewerbs TOP 100 zum „Innovator des Jahres“ gekürt.

„Die digitale Zukunft muss fair gestaltet werden!“

Während wir Aufnahmen in Martin Hubschneiders Büro machen, fällt unser Blick auf einen Bildschirm neben seinem Schreibtisch. Von „fair.digitaler DNA“ und „digitaler Souveränität“ ist dort die Rede. Auf unsere Frage, was genau es damit auf sich hat, stellt er seine Kaffeetasse ab, setzt an zu erzählen und schnell wird klar, hier lauert schon die nächste leidenschaftliche Herzensangelegenheit des umtriebigen Unternehmers. „Das ist ganz einfach: Das Gegenteil von Souveränität ist Abhängigkeit – und niemand sollte von einigen wenigen Plattformen abhängig sein. Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang ist booking.com: Um auf der Plattform vertreten zu sein, geben Hotels zwischen 15 und 30 Prozent des Buchungspreises an booking.com ab. Obwohl sie eigenständige Unternehmen sind, begeben sie sich in diese Abhängigkeit und lassen sich gewissermaßen wie Franchisenehmer behandeln“, berichtet Hubschneider.

Martin Hubschneider
Für Martin Hubschneider ist es wichtig, die CAS als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Damit geht er mit gutem Beispiel voran. Foto: Netzoptimisten GbR

Für Unternehmer*innen eng damit verknüpft, sei das Thema Datensicherheit. Denn Daten, ganz egal, ob private oder betriebliche, sollten immer vertraulich behandelt und entsprechend geschützt werden. Gerade das sei bei vielen Plattformen, die ihre Server im Ausland betreiben, nicht der Fall. „Deshalb fordere ich schon seit einer ganzen Weile die Abschaffung von Plattformmonopolen, die im Besitz gewinnmaximierender Investor*innen sind. Viel mehr braucht es digital souveräne Plattformen, die in das Eigentum der Stakeholder überführt werden,“ sagt Martin Hubschneider mit Leidenschaft. Um diesem Ziel näher zu kommen, hat er 2020 den Verein fair.digital ins Leben gerufen. Dieser zeichnet digitale Produkte und Services aus, in denen Datenschutz, Transparenz und Fairness vereint sind.

Am Dienstag ist Denktag

Darüber hinaus engagiert er sich ehrenamtlich in zahlreichen weiteren Projekten, unter anderem im Verein freudeschenken.de und der neuen Initiative WeCanChange.World. Während er uns über sein Leben und die vielfältigen Aktivitäten erzählt, drängt sich uns immer wieder eine Frage auf: Wo nimmt der Vater von fünf Töchtern die Zeit und Energie dafür nur her?
Darauf angesprochen erklärt er schmunzelnd, sein „Geheimnis ist eine klar strukturierte Woche.“ Über die Jahre sei es ihm gelungen, bestimmte Routinen zu entwickeln, die es ihm erlauben, sich seinem Unternehmen und den Ehrenämtern zu widmen, gleichzeitig aber auch noch genug Zeit für seine Familie zu haben, verrät er nicht ohne Stolz.

In der Praxis sähe das so aus: Den Montag nutzt Hubschneider für Jour fixes, um die bevorstehende Woche gemeinsam mit seinen Mitgestalter*innen zu planen. Das gibt ihm die Freiheit, am Dienstag einen „Denktag“ an einem geheimen historischen Ort einzulegen. An diesem Tag hat er keine Termine. Stattdessen entwickelt er Strategien und neue Ideen. Gemeinsame Entscheidungen mit dem Team werden erst wieder mittwochs getroffen, wenn die Steuerkreise an der Reihe sind. Der Donnerstag steht schließlich für Besuche bei Kunden und für Kooperationsgespräche zur Verfügung, während er am Freitag entweder Außer-Haus-Termine wahrnimmt oder im Unternehmen Workshops und Betriebsversammlungen abhält. Bleibt noch das Wochenende – und das ist ganz für seine Familie und Freunde reserviert. „Diese Struktur ist mir persönlich sehr wichtig, deshalb starte ich auch jeden Tag mit einer halben Stunde Jogging“, ergänzt Hubschneider noch zum Ende unseres Gesprächs. „Gerne gehe ich auch mit meinen Gedanken und einem inspirierenden Buch auf eine virtuelle Reise oder genieße in der realen Natur das, was die Japaner ‚Shinrin-Yoku‘ nennen: Waldbaden.“

Über diese spannenden Einblicke und Eindrücke, stellen wir fest, haben wir fast die Zeit vergessen. Dass Martin Hubschneider so viel seiner – wertvollen – Zeit eingeräumt hat, zeigt uns zum Abschluss noch einmal sehr direkt, wie sehr er für die Sache brennt und wie wichtig ihm sein Einsatz dafür ist. 
Damit ist er glücklicherweise nicht alleine und so gehört der nächste digitale Kopf hinter karlsruhe.digital zur Ersten Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz, die im November für uns ihr Büro und ihr Nähkästchen öffnen wird.