#DigitalMindsKA – die Menschen hinter karlsruhe.digital: Professor Dr. Thomas Hirth

Die Initiative karlsruhe.digital vereint Karlsruher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung mit dem Ziel, Karlsruhe als Motor der Digitalisierung voranzutreiben – für Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Souveränität. Sie bündelt Expertenwissen, fördert Vernetzung und bearbeitet Themen ganzheitlich, um die digitale Zukunft der Stadt aktiv zu gestalten.
Und dahinter stehen Menschen. Menschen, die sich engagieren, für etwas brennen und genau deshalb ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Fachwissen einsetzen. Wer diese Menschen, die digitalen Köpfe, sind, möchten wir sichtbar machen. Einmal im Monat fragen wir die Digital Minds danach, was sie antreibt und welche Visionen sie haben.
Im dritten Teil unserer Reihe besuchen wir Professor Dr. Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und einer der Vorsitzenden der Initiative karlsruhe.digital, an seinem Arbeitsplatz im Präsidiumsgebäude des KIT.

Studierende, die zu Vorlesungen eilen, eine Dozentin, die gerade ihr Fahrrad abschließt – und dazwischen ein Eichhörnchen, das sich gerade eine Nuss geschnappt hat und einen Baum hochklettert: Auf dem Campus Süd des KIT herrscht Hochbetrieb, als wir zum zentral gelegenen Adolf-Würth-Gebäude nahe der Karlsruher Innenstadt gehen. Hier, im ehemaligen Gebäude der Chemischen Technik von 1881, hat unser heutiger Gesprächspartner Thomas Hirth sein Büro.

Wir begeben uns in den ersten Stock des historischen Backsteingebäudes und genießen noch für einen Moment den Ausblick über das Gelände des KIT. In diesem Moment kommt Thomas Hirth um die Ecke, begrüßt uns freundlich und nimmt uns direkt mit in sein Büro. Er hängt sein Sakko über die Stuhllehne, wirft noch schnell einen Blick in sein E-Mail-Postfach und setzt sich dann zu uns an den Konferenztisch. Jetzt erst einmal durchatmen und einen Schluck Kaffee trinken.

Den Blick aus der Vogelperspektive auf das Geländes des Campus Süd gerichtet, wollen wir von Professor Hirth zum Einstieg wissen, woran er beim Wort Karlsruhe zuerst denkt. „Nun, das ist einfach: Wenn ich Karlsruhe höre, denke ich zuerst an eine exzellente Wissenschaftsstadt, mit einer hohen Dynamik und einem unglaublichen Zusammenhalt. Das ist zumindest das, was ich wahrnehme.“ Er setzt seine Kaffeetasse ab und schmunzelt: „Und wissen Sie, das war nicht immer so. Als ich Anfang der 1980er in Karlsruhe studiert habe, damals noch an der Universität Karlsruhe (TH), war hier alles in Karlsruhe – salopp ausgedrückt – etwas ‚angestaubt‘.“

Karlsruhe für Hirth einer der europaweit attraktivsten Digitalstandorte

Nach seinem Chemie-Studium verbrachte Hirth viele Jahre bei der Fraunhofer-Gesellschaft, wo der heute 60-Jährige zuletzt als Institutsleiter eines Fraunhofer-Instituts und Professor an der Universität Stuttgart tätig war. Als er dann schließlich nach acht Jahren in Stuttgart am 1. Januar 2016 zurück ans KIT kam, sei der Wandel, der sich in der Stadt vollzogen hatte, für ihn deutlich sicht- und spürbar gewesen. Hirth schaut uns an und grinst: „Und damit meine ich nicht die ganzen Baustellen in Karlsruhe, die man übrigens auch nicht negativ sehen darf. Denn wenn alles mal fertig ist, wird die Stadt nochmals deutlich lebenswerter sein“. Vielmehr denke er dabei an den Wandel Karlsruhes hin zu einem der europaweit attraktivsten Digitalstandorte mit einer florierenden Start-up-Szene, ergänzt er noch während er plötzlich den karlsruhe.digital-Sticker auf der Rückseite unseres Laptops entdeckt.

„Als jemand, der viele Jahre außerhalb Karlsruhes aktiv war, denke ich, dass der Wandel innerhalb der Stadt viel mit dem Selbstverständnis der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure zu tun hat. Denn die Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das alle Lebensbereiche betrifft. Aus diesem Grund ist das Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Kultur unabdingbar für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die uns in den kommenden Jahrzehnten bevorstehen. Das funktioniert aber nur, wenn man sich kennt und vertraut,“ betont Hirth. „Genau das ist in Karlsruhe der Fall – und Initiativen wie karlsruhe.digital, die alle Player unter einem Dach vereinen, nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Wenn beispielsweise ein neues Projektformat ausgeschrieben wird, tauschen wir uns in unserem Netzwerk auf kurzem Wege aus und können schnell reagieren. Das macht uns stark.“

Der Tulla-Hörsaal wird bestuhlt für eine Veranstaltung. Foto: Netzoptimisten
Der Dialog mit den Bürgerinnen ist ein Fokusthema des Vizepräsidenten. Foto: Netzoptimisten GbR

Digitalisierung geht nur mit den Menschen

Das allein reiche allerdings nicht. Während unseres Gesprächs weist Hirth mehrfach auf ein Thema hin, das ihm persönlich sehr am Herzen liegt: „Die digitale Transformation kann nur gelingen, wenn wir es schaffen, die Gesellschaft mitzunehmen.“ So widmete sich Hirth am KIT im Rahmen seiner ersten Amtszeit als Vizepräsident bis Ende 2021 den Themen Innovation und Internationales. In dieser Rolle lag sein Fokus vor allem auf der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Mit seiner zweiten Amtszeit, welche er in diesem Jahr angetreten hat, hat er die Funktion des Vizepräsidenten für Transfer und Internationales übernommen und damit sein Aufgabengebiet erweitert. Ziel seiner zweiten Vizepräsidentschaft ist es also, noch stärker die Wechselwirkung mit der Gesellschaft zu adressieren. „Wir müssen die Digitalisierung für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar machen, ihnen erklären, warum wir tun, was wir tun – und was es uns als Gesellschaft nutzt.“

Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen Formate wie die KIT Science Week und die Bunte Nacht der Digitalisierung. Erstere kombiniert eine hochrangige wissenschaftliche Konferenz von und mit international renommierten Wissenschaftler*innen mit vielfältigen Veranstaltungen für die Öffentlichkeit und transportiert so die großen Wissenschaftsthemen in die Gesellschaft. Die Bunte Nacht der Digitalisierung hingegen macht im ganzen Stadtgebiet mit Hotspots und Events die Digitalisierung für die Bürgerschaft erlebbar. „Hier erfahren wir, was die Menschen bewegt, wo sie Chancen sehen, aber auch, wovor sie Angst haben. Denn nur wenn wir wissen, was die Menschen umtreibt, können wir die Digitalisierung gemeinsam gestalten,“ so Hirth.

Mit einem Mal wird es heller im Raum. Die grauen Wolken am Himmel sind verschwunden und die Nachmittagssonne scheint durch die großen Fensterflächen von Hirths Büro. Darauf haben wir gewartet! Zeit für Fotos. Hirth führt uns auf die großzügige Dachterrasse, die das KIT für Empfänge und andere Veranstaltungen nutzt. Heute ist sie leer und die beeindruckende Aussicht gehört allein uns.

Professor Dr. Hirth sitzt an seinem Schreibtisch und arbeitet am Computer. Foto: Netzoptimisten
Kein Tag gleicht dem anderen. Ausgleich findet Professor Dr. Hirth im Privatleben. Foto: Netzoptimisten GbR

Die Mischung macht’s: Im Berufsleben und auch privat gilt es Balance zu halten

Während wir Bilder machen, sprechen wir mit Hirth über seinen Arbeitsalltag. Er hält kurz inne, lässt seinen Blick über die Stadt schweifen und erzählt uns dann, dass es so etwas wie einen „normalen“ Arbeitstag für ihn nicht gibt. „Kein Tag ist gleich. Ich beschäftige mich in meiner Funktion als Vizepräsident für Transfer und Internationales mit vielen verschiedenen Themen und muss dementsprechend unterschiedlichste Termine wahrnehmen. Vorhin hatte ich ein Gespräch mit einer Stiftung, morgen bin ich in Paris bei einer großen Start-up-Messe.“ Gespannt lauschen wir seinen Worten und merken nur beiläufig, wie Hirth uns zu einem kurzen Streifzug über den Campus mitnimmt. Er führt uns noch durch das Foyer des Tulla-Hörsaals, das gerade für eine Abendveranstaltung bestuhlt wird. An jenem Ort, wo die Symbiose aus historischem Gebäude, zeitgenössischer Architektur und modernster Medientechnik besonders deutlich wird, berichtet er weiter aus seinem Alltag. „Das Einzige, was jede Woche gleich ist, sind die Präsidiumssitzungen jeden Montag- und die Senatssitzungen einmal im Monat. Ansonsten wechseln sich Besprechungen und Veranstaltungen am KIT mit jenen bei anderen Forschungseinrichtungen, Verbänden, Unternehmen, Stiftungen, Politik und Verwaltung ab. Da gibt es immer was zu tun – und das schätze ich sehr. Das macht den Job ja gerade interessant. Und Sie können sich sicherlich vorstellen, wie viel momentan in Themenfeldern wie Mobilität, Energie, Information oder Nachhaltigkeit passiert.“

Unser Termin ist mit dem kurzen Rundgang fast zu Ende. Wir begleiten Thomas Hirth noch zu seinem Büro, um unsere Sachen zu holen. Während wir das tun, setzt sich der promovierte Chemiker an seinen Schreibtisch und zeigt auf einen Globus, der direkt vor ihm neben einer gläsernen Miniaturausgabe des Periodensystems steht. „Es wird gerne mal vergessen, dass viele Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung international stattfinden. Der Austausch mit anderen Akteurinnen und Akteuren ist deshalb nicht nur auf lokaler, sondern auch auf globaler Ebene immens wichtig. Dadurch lernt man nicht nur die eigenen Stärken und Schwächen besser einzuschätzen, sondern kann auch Probleme gemeinsam schneller und effizienter lösen. Wenn wir das auch in Zukunft beherzigen, kann auch aus einer vergleichsweise überschaubaren Stadt wie Karlsruhe ein internationaler Leuchtturm der Digitalisierung für die Mobilität, Produktion, Verwaltung und natürlich Wissenschaft werden.“

Bevor wir gehen, werfen wir noch einen letzten Blick auf unseren Notizzettel. Uns fällt auf, dass wir noch eine Frage vergessen haben, die wir allen Digital Minds stellen: Bei all den täglichen Verpflichtungen, wie schaltet man da eigentlich ab? Hirth lächelt: „Das ist gar nicht immer so einfach. Aber wenn ich die Zeit dazu finde, besuche ich gerne Konzerte und Ausstellungen, fahre nach Frankreich – und ich arbeite gerne im Garten. Das ist meine persönliche Oase und gibt mir die Gelegenheit, vom Berufsalltag abzuschalten.“

Mit diesen Worten reicht Hirth uns die Hand und wir verabschieden uns. Vor seinem Büro wartet bereits sein nächster Termin. Sein letzter für heute, denn danach muss er für seine Reise nach Paris am nächsten Tag packen. Wir schlendern derweil über den Campus Süd des KIT zurück zur Straßenbahn und fragen uns, ob man als Digital Mind überhaupt jemals komplett abschalten und den Alltag hinter sich lassen kann.

Titelbild: Netzoptimisten