GPT Store: Innovationstreiber oder ethisches Minenfeld?

GPT Store

Nach ChatGPT hebt nun der GPT Store das Thema Künstliche Intelligenz auf ein neues Level, wirft aber zugleich komplexe ethische Herausforderungen auf, die sowohl die Entwickler*innen als auch Nutzer*innern betreffen. Ein Überblick.

Seit ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, hat der Chatbot nicht nur alle möglichen Branchen auf den Kopf gestellt, sondern vor allem auch das Thema Künstliche Intelligenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit einem Mal sahen sich Lehrkräfte damit konfrontiert, dass Studierende ihre Hausarbeiten von einer KI schreiben ließen, während sich Texter und Grafiker die Frage stellten, ob sie schon in wenigen Jahren von Chatbots ersetzt werden würden.

Zusätzlich angeheizt wurde die Debatte durch die unklare Lage im Hinblick auf das Urheberrecht sowie ethische Bedenken. Dem Erfolgszug und der Popularität von ChatGPT hat das indes keinen Abbruch getan. Inzwischen greifen mehr als 100 Millionen Menschen weltweit auf die Plattform zu – und das pro Woche.

Anfang 2024 zündete OpenAI, die Entwicklerfirma hinter ChatGPT, mit dem GPT Store nun die nächste Stufe.

Was genau ist der GPT Store?

Der GPT Store von OpenAI stellt in der Welt der künstlichen Intelligenz eine ähnliche Revolution dar, wie es der App Store von Apple in der Welt der Smartphones tat. So wie der App Store es Entwickler*innen ermöglicht, ihre Anwendungen einem breiten Publikum anzubieten, bietet der GPT Store eine Plattform, auf der Nutzer*innen ihre individuell entwickelten KI-Anwendungen, die sogenannten Custom GPTs, anderen zur Verfügung stellen und verkaufen können. Diese Anwendungen basieren auf dem GPT-Modell von OpenAI und decken ein breites Spektrum an Funktionen ab, von der Texterstellung bis hin zur grafischen Gestaltung.

Um den GPT Store nutzen zu können, bedarf es eines kostenpflichtigen OpenAI-Abo. Im Anschluss kann man durch die verschiedenen GPT-Anwendungen browsen und sie ausprobieren. Der entscheidende Unterschied zum klassischen ChatGPT liegt in der Spezialisierung der Anwendungen. Entwickler*innen können die Custom GPTs ganz gezielt anpassen, indem sie das Modell mit spezifischen Daten trainieren oder es so konfigurieren, dass es bestimmte Aufgaben besser erfüllt (zum Beispiel juristische Beratung, technische Unterstützung, kreative Schreibarbeit oder sogar die Erstellung einer Website).

Oder anders ausgedrückt: Während das klassische ChatGPT ein Allrounder für eine Vielzahl von Anfragen ist, bieten Custom GPTs im GPT-Store maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Bedürfnisse und Anwendungen.

Welches Geschäftsmodell steckt hinter dem GPT Store?

Mit dem GPT Store verfolgt OpenAI gleich mehrere Ziele. Zunächst wird ChatGPT dadurch für eine größere Zielgruppe interessant, denn viele Menschen waren und sind mit dem klassischen ChatGPT schlichtweg überfordert. Weiterhin motiviert der GPT Store mehr Nutzer*innen dazu, das kostenpflichtige Abo von OpenAI abzuschließen, das – wie bereits erwähnt – Grundvoraussetzung dafür ist, überhaupt auf den GPT Store zugreifen zu können.

Robert Lepenies ist Professor für Pluralist & Heterodox Economics an der Karlshochschule in Karlsruhe.

Da im Prinzip jeder ein Custom GPT erstellen kann, gibt es schon wenige Wochen nach Start über drei Millionen Anwendungen. Dass bei der schieren Masse keine Qualitätskontrolle stattfinden kann, ist selbsterklärend. Völlig unklar ist zudem, wie genau das Monetarisierungsmodell für Entwickler*innen aussehen könnte. Ein solches ist zwar im Gespräch, Details nennt OpenAI indes noch nicht. Denkbar wäre, dass die Custom GPTs – analog zu Apples App Store – zu einem bestimmten Preis verkauft werden und OpenAI eine Provision erhält. „Ob dies zu einem vergleichbaren Durchbruch führt, ist jedoch zweifelhaft,“ erklärt Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule in Karlsruhe. „Der bisherige Erfolg von OpenAI basierte auf einer Kombination aus fortschrittlicher Sprachmodell-Technologie und einer benutzerfreundlichen Schnittstelle, die bereits großen Einfluss auf den Alltag von Unternehmen und Einzelpersonen hat. Beim GPT Store fehlt es jedoch an einer breiten Anziehungskraft, insbesondere für alltägliche Anwendungen.“

Für den Moment jedenfalls profitieren vor allem findige Unternehmen vom GPT Store, die diesen nutzen, um indirekt ihre Dienstleistungen zu verkaufen. So stammt beispielsweise die derzeit beliebteste Custom GPT von Canva, einem Online-Tool für Grafikdesign. Um die generierten Ergebnisse allerdings nutzen und bearbeiten zu können, muss man sich im nächsten Schritt bei Canva registrieren. Der Weg zu einem Canva Pro-Abo ist dann auch nicht mehr weit.

GPT Store: Zahlreiche Fragen sind noch offen

Obwohl im GPT Store zweifelsohne viel Potenzial steckt, überwiegen derzeit noch die offenen Fragen und Probleme. Das fängt beim Urheberrecht an. Denn spätestens wenn Custom GPTs zur kommerziellen Nutzung verkauft werden, die auf Trainingsdaten mit Werken von Künster*innen zurückgreifen, deren Urheberrechte nicht zweifelsfrei geklärt sind, wird das zum Problem. Zumal die Qualität und Zuverlässigkeit der AI-generierten „Produkte“ in den meisten Fällen ohnehin noch weit davon entfernt ist, als brauchbar durchzugehen.

Als Wissenschaftler, der im Bereich der Citizen Science arbeitet und zur Rolle von Partizipation, Demokratie und Wissenschaft forscht, sieht Robert Lepenies aber noch ganz andere Probleme: „Aktuell erscheint die demokratische Mitbestimmung im Kontext des GPT Stores stark unterbelichtet. Es gilt eine reine Marktlogik und der Store wird langsam von zwielichtigen Angeboten überschwemmt die eigentlich gegen die Richtlinien verstoßen. Beispiele wie ‚GPT Girlfriends‘, die eine Partnerschaft vortäuschen, zeigen, wie der Store subversiv genutzt werden kann, um Produkte anzubieten, die ethische und möglicherweise rechtliche Grenzen überschreiten,“ erläutert Lepenies. „Dies untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit des Stores, sondern verspielt auch demokratische Potenziale, indem es die Technologie für zweifelhafte Zwecke einsetzt, anstatt sie zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen.“

Der Karlsruher sieht in der demokratischen Partizipation eines der wichtigsten Elemente in der Entwicklung und Implementierung von Technologie, insbesondere KI. Und genau solche Mechanismen, die die breite Öffentlichkeit in den Entwicklungs- und Entscheidungsprozess einzubeziehen, fehlt derzeit. „Dies führt zu einer Diskrepanz zwischen den Potenzialen der Technologie und den Bedürfnissen und Werten der Gesellschaft.“