#DigiWomenKA: Dr. Iris Schwenk
Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie zeigen Möglichkeiten auf, helfen dabei, eigene Ziele zu definieren, und aus ihren Erfahrungen können wir lernen. In unserer Blogserie #DigiWomenKA trifft Katharina Iyen einmal im Monat ein solches Role Model aus der Karlsruher Digitalbranche, um mehr über sie, ihre Erfahrungen und ihr Engagement zu erfahren. In unserer Sonderausgabe spricht sie mit den Gründerinnen des CyberLab , dem IT-Accelerator des Landes Baden-Württemberg, der vom CyberForum e.V. betrieben wird. Den Auftakt macht Dr. Iris Schwenk, Chief Operating Officer (COO) und Co-Founder von HQS Quantum Simulations. Iris durchlief mit ihrem Startup 2018 das Accelerator-Programm des CyberLab und ist Mitglied im Gesamtvorstand des CyberForum e.V. Vom 23. bis 24. Februar 2024 teilt die erfolgreiche Gründerin ihre Erfahrungen bei der CyberLab-Veranstaltung Empowering Female Founders mit anderen Gründerinnen.
Von Katharina Iyen
An einem strahlenden Sonnentag navigiere ich durch die bunte Oststadt Karlsruhes zum Areal des iWerkX, dem Sitz von HQS Quantum Simulations. Die Ankunft gestaltet sich als kleines Abenteuer: Im weitläufigen Gelände finde ich mich erst nach einem Anruf zurecht – Jonas, Assistent der Geschäftsführung von HQS Quantum Simulations, begrüßt mich im Innenhof. Vom Plätschern des Brunnens begleitet, betrete ich die Loft-ähnlichen Geschäftsräume, die mich an trendige Co-Working-Spaces erinnern.
#DigiWoman Iris Schwenk begrüßt mich herzlich. Sofort fallen mir ihre knallorangefarbenen Schuhe auf: „Cloud Sharkies“ erklärt sie mir lachend und fügt hinzu: „Nachdem ich die an meinem Bruder gesehen hatte, wollte ich auch welche.“
Zukunftstechnologie verkürzt Time-to-Market und senkt die Kosten für F&E – und Produktentwicklungszyklen
HQS Quantum Simulations entwickelt Quantenalgorithmen zur Voraussage von Moleküleigenschaften für die Chemie- und Pharmaindustrie, einfach ausgedrückt handelt es sich also um eine Simulationssoftware für Materialwissenschaftler*innen in der chemischen Industrie sowie der Forschung generell. Aktuelle Quantencomputer leiden unter intrinsischen Fehlern, die ihre Leistung einschränken. Die Algorithmen von HQS können mit diesen Fehlern umgehen. Das 2017 gegründete Unternehmen beschleunigt damit Entwicklungszyklen in der Chemie- und Pharmaindustrie.
Wie schnell sich Quantencomputing entwickeln wird, ist unklar, klar ist aber: weltweit führende Unternehmen investieren sehr stark in diesen Bereich. Bereits heute diese wegweisende Technologie zugänglich zu machen, dafür brennt nicht nur Schwenk: „HQS Quantum Simulations verkauft nicht einfach Produkte, sondern berät ehrlich darüber, was schon möglich ist – und was nicht. Die Physikerin betont, wie wichtig es sei, Kund*innen frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, um sinnvolle und funktionierende Produkte entwickeln zu können.
HQS Quantum Simulations: von der Forschung in die Industrie
Schwenk ist überzeugt, dass Forschung aus dem Elfenbeinturm in den direkten Austausch mit der Wirtschaft und den Anwender*innen gelangen muss, denn eine Technologie könne so gut sein, wie sie wolle, wenn sie keine Anwendung findet: „Ich habe festgestellt, dass eine enge Zusammenarbeit mit Kund*innen von Anfang an dazu beiträgt, mögliche Probleme frühzeitig zu identifizieren und wirklich nützliche Lösungen zu entwickeln.“
In ihrer Doktorarbeit hat sie sich mich mit theoretischen Konzepten zur Beschreibung von Fehlern in Quantensimulatoren und Quantencomputern beschäftigt, ein Wegbereiter, um den Bogen zwischen Theoretischer Physik zu industrierelevanter Technologie zu schlagen. Und das, obwohl sie persönlich eher für Theorie brennt. Schmunzelnd gibt sie zu: „Ich lese lieber zehnmal eine Bedienungsanleitung, bevor ich irgendeinen Knopf drücke“.
Von Essen nach Karlsruhe
Schwenk absolvierte am KIT sowohl ihren Bachelor als auch den Master und die Doktorarbeit in Physik. Karlsruhe kam in ihr Visier, als ihr heutiger Mann und damaliger Freund sein Studium am KIT aufnahm. Seine Begeisterung für die Stadt und die Universität, an der er Elektro- und Informationstechnik studierte, inspirierten sie dazu, in Karlsruhe theoretische Physik zu studieren. Schon immer liebte sie Naturwissenschaften. Vom Studium am KIT schwärmt sie: „Die Struktur des Studienangebots war erstklassig. Und ich liebe es, komplexe physikalische Phänomene auf mathematische Weise zu erfassen.“
Geboren wurde die Co-Founderin in einem kleinen Dorf nahe Idstein in Hessen. Wo genau ihr Heimatort liegt, das erläutert sie mir sehr humorvoll: „Ich komme so aus der Mitte zwischen Frankfurt, Wiesbaden und Limburg. Mein Dorf befindet sich in der Nähe von der berühmten Autobahnausfahrt Idstein, bei der ständig irgendwelche Sachen auf der A3 los sind.“
Schwenk lebt heute mit ihrer Familie in Stutensee Büchig und fühlt sich dort sehr gut aufgehoben. Das Auto lässt sie grundsätzlich stehen, sie fährt auch nicht gerne: „Ich nutze oft das Fahrrad oder die Straßenbahn, um zur Arbeit in der Oststadt zu fahren.“ Die sommerliche Hitze und die feuchte Luft in Karlsruhe seien schon herausfordernd für sie, aber hier kommt ihre pragmatische Seite zum Tragen: „Unsere Räumlichkeiten sind sehr gut klimatisiert“, erklärt sie mit einem Lächeln.
Stereotype und Pragmatismus
Schwenk glaubt daran, Dinge einfach durchzuziehen, ohne zu lange darüber nachzudenken. Dieser pragmatische Ansatz helfe ihr, Pionierarbeit in der Welt des Quantencomputings zu leisten. Ein Lieblingszitat ihrer Mutter begleite sie bis heute: „Kopf hoch, auch wenn der Hals ungewaschen ist! Dieses Sprichwort steht für Haltung, Gelassenheit und die Fähigkeit, aus schwierigen Situationen das Beste herauszuholen. Es ermutigt mich dazu, auch in den herausforderndsten Momenten Chancen zu nutzen.“
Herausforderungen erlebe sie auch das ein oder andere Mal, auch aufgrund ihres Geschlechts erklärt Schwenk auf Nachfrage. Im Alltag stoße sie gelegentlich auf Stereotypisierungen, erzählt Schwenk auf Nachfrage. Die zweifache Mutter berichtet lachend: „Die Kita musste lernen, bei Anliegen auch mal den Vater anzurufen, weil die Mama gerade arbeitet. Aber mittlerweile klappt das sehr gut.“ Auch beruflich sei ihr das schon begegnet. Als ein Professor erfuhr, dass sie schwanger war und für zwei Monate beurlaubt sein würde, markiert eine solche Erfahrung.: „Die Art, wie er damit umging, seine Überforderung – das war für mich eine Herausforderung“, erinnert sie sich.
Mit Pionier- und Teamgeist zur KIT Ausgründung
Solch eine Reaktion sei aber nur ein Grund für den Mangel von weiblichen Fachkräften in der IT- und Tech-Branche einen Mangel: „Ich führe das auf verschiedene Faktoren zurück, unter anderem die Wahl der Studienrichtung und das Fehlen von weiblichen Vorbildern.“ Auch die theoretische Physik sei immer noch stark männlich dominiert, das Gründungs-Team von HQS bestehe ebenfalls aus drei Männern und lediglich einer Frau.
Dr. Michael Marthaler gründete gemeinsam mit Jan Reiner, Iris Schwenk und Sebastian Zanker die Firma – die drei hatten bei ihm promoviert und mit ihm anschließend am KIT zusammengearbeitet. „Das war eine wilde Zeit. Aber wir fanden einen klaren Fokus: Anwendungen von Quantencomputern im Bereich von Chemie- und Materialforschung. Und haben da auch eben ganz konkret mit verschiedenen Unternehmen zusammengearbeitet und wirkliche Use Cases in den Blick genommen“, erinnert sich Schwenk. Die Hoffnung, dass die Technologie nach Jahrzehnten der Grundlagenarbeit an der Grenze von der Forschung zur Anwendung, von der Theorie zur Praxis stehe, spiegelte und spiegelt sich auch in den Finanzierungsrunden des jungen Unternehmens wieder. Immer noch eine Seltenheit bei weiblichen Gründerinnen, welche nur zu einem verschwindend geringen Anteil eine Finanzierung von über 1 Million Euro erhalten.
Rolemodels
Und gerade aus diesem Grund brauche es Vorbilder: „Meine Mutter war Rechtsanwältin und mein Vater Chemielaborant und später Betriebsrat.“ Erst im Erwachsenenleben wurde ihr bewusst, wie ungewöhnlich es war, dass ihr Vater als Nicht-Akademiker eine Akademikerin geheiratet hatte. Stereotype schrecken Schwenk ab: „Ich sah, wie eine Mutter ihrer Tochter ein neu gekauftes T-Shirt anzog, auf dem stand: ‚Ich bin ein Mädchen, ich muss nicht gut in Mathe sein.‘ Da fragte ich mich, ob uns das als Gesellschaft wirklich weiterbringt.“ Sowohl ihre Tochter als auch ihr Sohn dürfen ihren Interessen nachgehen, ungeachtet von Geschlechterstereotypen. „Mein Sohn darf auch Rosa tragen und meine Tochter mit Autos spielen. Ich bemühe mich um Ausgewogenheit und achte darauf, meiner Tochter auch rosa zu erlauben“, sagt sie lachend.
Stereotype begegneten ihr aber bis heute: „Als Chefin werde ich oft für meine fürsorgliche Art gelobt. Dieses Lob ist jedoch zweischneidig, da ich mich manchmal als zu mütterlich empfinde.“ Ihr sei es wichtig, mit dem Unternehmen und an ihren Aufgaben wachsen: „Ein wertvolles Kompliment für mich war, dass ich den Zusammenhalt im Team fördere. Außerdem bin ich sehr strategisch. Wenn es ein Problem gibt oder etwas zu lösen ist, dann habe ich nicht unbedingt sofort die Lösung parat, aber ich habe eine klare Vorstellung davon, welche Optionen man abwägen muss und welche Dinge ich herausfinden muss, um eine Option ausschließen zu können. Eine Schwäche, die ich zugestehe, ist, dass ich Schwierigkeiten habe, Dinge loszulassen, besonders wenn sie nicht wie geplant verlaufen“.
Kontakt zu Dr. Iris Schwenk
Iris Schwenk LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/iris-schwenk-0638b9119?originalSubdomain=de
HQS Quantum Simulations Website: https://quantumsimulations.de/
Mehr zur Veranstaltung:
Empowering Female Founders: Gemeinsam Lernen, Gemeinsam Wachsen
Rahmendaten
Datum: 23. Feb. – 24. Feb. 2024 | Uhrzeit: 12:30 – 20:00 Uhr / 08:30 – 21:00 Uhr (Networking Open End am 2. Tag)
Ort: Raum Church im CyberLab (EG), Haid-und-Neu-Str. 18-20, Eingang B, 76131 Karlsruhe
Wer kann teilnehmen?
Das Event richtet sich an Gründerinnen von Startup-Teams in Baden-Württemberg.
Katharina Iyen ist Autorin der Blog-Serie #DigiWomenKA für karlsruhe.digital,.mit dem Ziel, weibliche Tech-Talente in Karlsruhe sichtbarer zu machen. Sie arbeitet selbstständig im Digital Marketing, mit Schwerpunkt Storytelling, Werbetext und kreative Konzeption. Ihre Themen sind „Die Macht von Worten und Geschichten“, „neuer Feminismus“ und „Soziale Gerechtigkeit“. Katharina ist soziale Aufsteigerin und engagiert sich bei Netzwerk Chancen. Sie betreibt die Text-Agentur EdiCut und ist Teil der Kooperation #arbeitgeberleben.
Foto: Nasko Flan
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