#DigiWomenKA: Noémie Jaquier

Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie zeigen Möglichkeiten auf, helfen dabei, eigene Ziele zu definieren, und aus ihren Erfahrungen können wir lernen. In unserer Blogserie #DigiWomenKA trifft Katharina Iyen einmal im Monat ein solches Role Model aus der Karlsruher Digitalbranche, um mehr über sie, ihre Erfahrungen und ihr Engagement zu erfahren. Heute spricht sie mit Noémie Jaquier, Postdoktorandin im Lehrstuhl für Hochperformante Humanoide Technologien (H²T) am Institut für Anthropomatik und Robotik des Karlsruher Instituts für Techniologie (KIT) und derzeit “visiting postdoctoral researcher” an der Stanford University.

Von Katharina Iyen

#DigiWomenKA goes international, so könnte ich den heutigen Beitrag übertiteln. Denn Noémie Jaquier, befindet sich gerade als visiting researcher in Kalifornien, USA. Dank Videocall ist die Überwindung der räumlichen Distanz kein Problem und ich habe das Vergnügen die Karlsruher KI-Newcomerin des Jahres 2023 kennenzulernen. Während sie um 10 Uhr am Vormittag vom kalifornischen Wetter, das sich durch endlose Sonnentage auszeichnet, sitze ich im herbstlichen Deutschland um 19 Uhr vor meinem Rechner. Ich frage sie nach den Unterschieden in der Mentalität zu Baden-Württemberg vs. Kalifornien. Sie lacht: „Die Leute kommen teilweise erst gegen 12 Uhr ins Office, aber bleiben bis nachts. Jetzt gerade bin ich noch alleine hier. Auch ein Luxus“. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass nicht spätestens jetzt ein bisschen Neid aufkommt. Zum Glück steigen wir schnell in ihre aktuelle Forschungsprojekte im Bereich der humanoiden Robotik in Stanford ein, denn das bringt mich auf andere Gedanken.

AI-Newcomerin des Jahres 2023 mit tiefverwurzelter Technologiebegeisterung

Dr. Noémie Jaquier vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat eine klare Mission: Roboter sollen den Menschen nicht nur im Labor, sondern auch im Alltag unterstützen. Als leidenschaftliche Informatikerin gehört sie zu den zehn aufstrebenden Talenten, die kürzlich vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Gesellschaft für Informatik e.V. für ihre herausragenden Beiträge im Bereich Künstliche Intelligenz als „AI Newcomer 2023“ ausgezeichnet wurden. Sie erhielt die Auszeichnung als eines der Talente in der Kategorie Technik- und Ingenieurwissenschaften.

Ihre Begeisterung für Technologie wurzele aber sehr tief, erzählt die gebürtige Schweizerin aus Lausanne:„Meine Eltern haben meine Liebe zur Technologie und Wissenschaft von Anfang an unterstützt“. Ihr Vater, ein Physiker, eröffnete seinen drei Töchtern die Welt der Naturwissenschaften fernab der gängigen Geschlechterklischees. So schenkten ihre Eltern ihr beispielsweise einen Lego-Roboter zu Weihnachten, der einen entscheidenden Einfluss auf ihre spätere Begeisterung hatte: „Dieses Geschenk entfachte definitiv meine Faszination für Technologie und ich verbrachte viele Stunden beim Tüfteln und zu experimentieren mit meinem Vater und dem Roboter.“

Katharina Iyen und Noémie Jaquier im Gespräch. Foto: Katharina Iyen
Katharina Iyen und Noémie Jaquier im Gespräch. Foto: Katharina Iyen

Auch ihre Mutter ermutigte Jaquier und ihre Schwestern stets dazu, ihren Interessen zu folgen. „Schon junge Mädchen brauchen die Freiheit, ihren Interessen nachzugehen, sei es in der Welt der Autos oder der Roboter. Geschlechterstereotype sollten keine Rolle dabei spielen, welche Interessen und Leidenschaften ein Mädchen oder eine Frau verfolgen kann. Es geht darum, die eigenen Träume zu leben und zu erforschen, unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen“ erklärt Jaquier.

Auf dem Weg zur Spitzenforschung

Und so studierte Jaquier in ihrer Heimat zunächst im Bachelorstudium Mikro-Engineering. Es folgte ein Master-Abschluss in Robotik und autonomen Systemen, wo sie ihre Leidenschaft für die Verschmelzung von Robotik, maschinellem Lernen und Riemannscher Geometrie entdeckte.

Auf der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL), verfasste sie ihre Doktorarbeit. 2019 entschied sie sich dafür, ein halbes Jahr in Deutschland zu verbringen. Im Bosch Center for Artificial Intelligence tauchte sie tief in die KI-Forschung ein. Sie setzte ihre Forschungskarriere fort und wurde schließlich als Postdoc am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) tätig. Dort arbeitet sie am von Professor Tamim Asfour geleiteten Lehrstuhl für Hochperformante Humanoide Technologien (H²T) am Institut für Anthropomatik und Robotik es KIT.

Derzeit forscht sie als Gast-Forscherin im Team von Professor Oussama Khatib am Stanford Robotics Lab. Als Gastwissenschaftlerin an der Universität Stanford aktiv zu forschen, bereite ihr viel Freude, berichtet Jaquier. Hier treibe sie ihre Arbeit im Bereich der Robotik und des maschinellen Lernens weiter voran: „Ich hoffe, die Erkenntnisse aus meiner Doktorarbeit nicht nur anzuwenden – sondern auch neue Forschungsrichtungen aufgrund meiner Erkenntnisse zu definieren.“

Menschenzentrierte Forschung und ein neuer Blick auf Robotik: Riemannsche Perspektiven

Jaquier engagiert sich intensiv in der Entwicklung humanoider Roboter, die dazu bestimmt sind, Menschen und der Gesellschaft im Allgemeinen zu helfen. Sie ist angetrieben von einem tief verwurzelten Wunsch, die Welt durch ihre Arbeit positiv zu beeinflussen. Ihre vorwärtstreibenden Kräfte sind Neugier, Freude am kontinuierlichen Lernen und die Möglichkeit, auf vielfältige Weise positiv Einfluss zu nehmen. „Und das am liebsten durch schlaue und freundliche Roboter“, verrät sie mir lachend. „Aber wir müssen noch viele Hürden und Vorbehalte abbauen.“

Der ARMAR-6 Roboter. Foto: Noémie Jaquier
Der ARMAR-6 Roboter. Foto: Noémie Jaquier

In ihrer Forschung konzentriert Jaquier sich insbesondere auf das Erlernen von Roboterfähigkeiten durch menschliche Demonstrationen und auf Adaptionstechniken mit der Riemannschen Geometrie, die Einsteins Relativitätstheorie zugrunde liegt, als Eckpfeiler. „Mit meiner Forschung ziele ich darauf ab, Roboter mit menschenähnlichen Lern- und Anpassungsfähigkeiten auszustatten. Um das zu erreichen, greife ich auf geometrische Informationen zurück, die in der Robotik ohnehin auftauchen, und nutze sie, um dateneffiziente und theoretisch fundierte Lernalgorithmen zu entwickeln“, erklärt Jaquier. „Auf diese Weise hoffe ich, Roboter auch außerhalb des Labors für den Menschen nutzbar zu machen.“

Die Forscherin bringt damit eine neue Perspektive in die Robotik. Die Riemannsche Geometrie als fundamentale theoretische Basis, sei ein induktiver Ansatz zur Entwicklung innovativer Methoden, die auf den geometrischen Informationen basieren, die von Robotern generiert werden. Besonders spannend sei dabei der dateneffizienter Ansatz zur Erlernung von Fähigkeiten durch menschliche Demonstrationen und Anpassungstechniken, bei dem die Geometrie eine Schlüsselrolle spielt, erklärt Jaquier weiter.

Role Model

Mittlerweile habe sich aber zu ihrem Forscherdrang noch eine andere Leidenschaft gesellt: „Ich gebe mein Wissen, meine Neugierde und meine Begeisterung gerne an meine Studiereden weiter und ermutige sie, ihre eigenen beruflichen Träume zu verfolgen. Das ist eine menschliche Dimension, die mich berührt“ so Jaquier.

„Träume können wahr werden, aber es gibt ein Geheimnis. Sie werden durch die Magie von Beharrlichkeit, Entschlossenheit, Engagement, Leidenschaft, Übung, Fokus und harter Arbeit verwirklicht. Sie geschehen Schritt für Schritt, manifestiert über Jahre, nicht Wochen.“ Ihr Lieblingszitat von Elbert Hubbard unterstreiche ihre Überzeugung, dass Entschlossenheit und kontinuierliches Engagement bei der Verfolgung von Träumen und Zielen elementar seien. „Harte Arbeit wird nicht immer sofort belohnt wird. Manchmal benötigt man auch eine Portion Glück, um Hindernisse zu überwinden“ fügt Jaquier hinzu.