#DigiWomenKA – Prof. Dr. Ina Schaefer

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Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie zeigen Möglichkeiten auf, helfen dabei, eigene Ziele zu definieren, und aus ihren Erfahrungen können wir lernen. In unserer Blogserie #DigiWomenKA trifft Katharina Iyen einmal im Monat ein solches Role Model aus der Karlsruher Digitalbranche, um mehr über sie, ihre Erfahrungen und ihr Engagement zu erfahren. Heute spricht sie mit Prof. Dr. Ina Schaefer, Professorin für Software-Engineering am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Von Katharina Iyen

Ich treffe die kürzlich ans KIT berufene Professorin Dr. Ina Schaefer im Hauptgebäude der Informatik am KIT. Ihr Büro in diesem großen Gebäude zu finden, stellt sich erstmal schwieriger heraus, als ich dachte – und ich frage einen jungen Studenten nach dem Weg. Von Ina Schaefer, die gerade noch in einem Call ist, werde ich herzlich begrüßt. Ich beginne unser Interview und merke sofort die lockere, ungezwungene und lässige Atmosphäre. Wir sind sofort per „du“ – fast schon Standard mit den #DigiWomenKA.

Dann fallen mir die frischen Blumen im Büro auf. Ina Schaefer erzählt mir, dass sie zum Weltfrauentag am Vortag Sträuße für ihre Sekretärin und sich gekauft hat. Außerdem stechen mir an den Whiteboards die bunten Plakate mit coolen Sprüchen ins Auge – ich kennen sie aus dem CyberForum. „Passion never fails“ ist das Lieblingsposter von Ina Schaefer.

Von Ostfriesland bis ans KIT auf Umwegen

Die gebürtige Ostfriesin ist als Tochter eines Pfarrers und einer Lehrerin in Emden geboren. Heute diskutiert sie gerne politische, philosophische und theologische Themen mit ihrem Vater – oder seziert mit ihm Predigten seiner Kolleg*innen. So entspannt war es nicht immer. Die Informatik-Professorin erinnert sich: „Als Pfarrerstochter war ich auf dem Dorf auf dem Präsentierteller, das ist als Erwachsene nicht mehr so.“ Ina Schaefer studierte Informatik in Rostock. Sie erzählt mir, dass die „Ankunft des Internets“ bei ihr zu Hause diese Entscheidung wesentlich prägte. Sie war gut in Mathe, wollte aber keine Versicherungsmathematikerin werden. Auch das, so sagt sie mir, war ein Grund, warum sie in die Informatik ging.

Frische Blumen zum Weltfrauentag. Foto: Katharina Iyen
Frische Blumen zum Weltfrauentag. Foto: Katharina Iyen

Während ihres Studiums verbrachte sie ein Jahr in England, kehrte aber für ihre Diplomarbeit nach Deutschland, genauer gesagt nach Saarbrücken, zurück. Dort arbeitete sie am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), bevor Künstliche Intelligenz (KI) so richtig modern wurde. Sie promovierte im Jahr 2008 an der TU Kaiserslautern. Zudem erhielt sie ein Stipendium für Schweden. Zurück in Deutschland bot man ihr prompt eine Vertretungsprofessur an der TU Braunschweig an. Was sie damals noch nicht wusste: Diese sollte über zehn Jahre andauern.

Antrieb Abenteuerlust

Ich möchte wissen, was diese Frau antreibt. Sie antwortet mir ohne Zögern und schmunzelt: „Abenteuer Ostdeutschland. Ich fand diesen Teil Deutschlands schon immer spannend, genauso wie die Wissenschaft. Einfach nur entdecken, das liebe ich“. Damit meint sie auch, mathematische Theorien zu erfinden und diese dann zu beweisen. Kreativität ist sehr wichtig für sie. Und auch wenn es darum geht, ihren Studierenden Entfaltungs- und Entwicklungsraum zu ermöglichen, ist sie ganz vorne mit dabei. „Ich möchte Menschen Platz geben, coole Sachen zu machen“ berichtet sie. Sie glaubt daran, dass die richtige Umwelt, die richtigen Ergebnisse bringt. „Auch das Miteinander in der Wissenschaft ist wichtig“, fügt sie hinzu.

Quantencomputing kann Software verbessern

Ina Schaefer ist neben ihrer Tätigkeit an der Hochschule in der Politikberatung engagiert und arbeitet darüber hinaus parallel auch an der Verbesserung von Software. Ihre Fachgebiete sind Softwaretechnik sowie formale Methoden. In der Verbesserung von Software sieht Schaefer den Hauptzweck ihrer Arbeit. „Software muss nicht so schlecht sein, wie sie aktuell ist“ erklärt sie lachend. Die Softwareentwicklung für Quantencomputing stellt aktuell eines ihrer wichtigsten Projekte dar. Gerade bei der kombinatorischen Optimierung, für beispielsweise Routenplanung, Beladungsplanung oder Scheduling, kann ihre Forschung helfen, da Quantencomputer diese Arbeit schneller erledigen könnten. Dafür arbeitet sie an Konstruktionsverfahren in der Software.

Ina Schaefer mit Autorin Katharina Iyen. Foto: Katharina Iyen
Ina Schaefer mit Autorin Katharina Iyen. Foto: Katharina Iyen

Ich hake nach, wie ein Quantencomputer eigentlich funktioniert und bemerke sofort, wie stark die neue KIT-Professorin für ihr Thema brennt. Sie erklärt mir – stark vereinfacht – dass ein Quantencomputer im Grunde mit drei Quanteneffekten arbeitet: Der Superposition, dem probabilistischen Messen und der Verschränkung. Bei der Superposition wird mit mehreren Zuständen gleichzeitig gerechnet. Das probabilistische Messen beschreibt mehrere Durchläufe, die dann eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ergeben. Die Verschränkung kombiniert zwei Q-Bits so, dass diese sich gleich benehmen.

Schaefer erklärt mir, dass mit diesen drei Quanteneffekten Algorithmen gebaut werden können, mit denen schwierig zu lösende Probleme schneller gelöst werden können. Da das für mich alles sehr nach Science-Fiction und Zukunftstechnologie klingt, frage ich, ob wir irgendwann alle einen Quantencomputer zu Hause haben werden. Die Quantencomputing-Expertin lacht: „Davon gehe ich nicht aus, da ein solcher Computer zu stark gekühlt werden muss. Viel wahrscheinlicher ist es, dass normale Computer vielleicht Einzelteile auf Quantenbasis besitzen werden.“ Eine weitere mögliche Option sei es, dass wir in Zukunft Anfragen an Quantencomputer schicken, die dann dort verarbeitet werden. So sei das zum Beispiel schon in der Amazon- sowie Google-Cloud.

Angetrieben ist die Professorin aber davon, Software allgemein zu verbessern. Nach ihr soll sie „gleich beweisbare Eigenschaften“ haben. Das bedeutet, dass man sich schon vor Entwicklung überlegen muss, was das Programm tun soll. „Es müssen Spezifikationen – also Vor- und Nachbedingungen erstellt und das Programm schrittweise verfeinert werden“, legt sie mir vereinfacht dar. 

Experimentieren und Geduld gehört für Ina Schaefer zur Forschung dazu. Foto: Patricia Bonaudo
Experimentieren und Geduld gehört für Ina Schaefer zur Forschung dazu. Foto: Patricia Bonaudo

Viele Potenzial bei der Vernetzung und Förderung von Frauen

In die Fächerstadt zog Schaefer für die Professur am KIT. Sie schätzt die Freundlichkeit ihrer Kolleginnen und Kollegen vor Ort sowie der Menschen in Baden allgemein. Zudem ist sie Fan des vielfältigen kulturellen Angebots der Stadt. Ich erfahre, dass sie eine Jahreskarte für den Zoo sowie ein Abonnement der Badischen Neusten Nachrichten (BNN) hat.

Beim Thema Vernetzung von Frauen in der Karlsruher Digitalszene sieht sie noch Ausbaupotenzial. Sie selbst sei vor Ort noch schlecht vernetzt, was nach dieser kurzen Zeit nicht sehr verwunderlich sei. Dennoch könne auch in Sachen Frauenförderung einiges passieren, so Schaefer. Entwicklungspotenzial sieht Schaefer aber auch darin, dass Frauen sich trauen Chancen zu ergreifen: „Es besteht die Tendenz, alles zu überdenken, anstatt einfach mal loszulegen. Stichwort: ‚Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite‘. Das hindert Frauen öfter daran, einfach mal zuzupacken und Chancen zu ergreifen. Wir wägen zu viel ab, trotz vorhandener Kompetenzen.“ Schaefers Philosophie sei es, Chancen, die sich ergeben, auch beim Schopf zu packen.

#DigiWomenKA ganz privat

Von dieser #DigiWomen möchte ich noch wissen, worin sie eigentlich nicht so gut sei. Ehrlich gibt sie zu, dass sie durchaus noch selbstbewusster werden könne – was mich wirklich überrascht. Aber sie erzählt mir schmunzelnd, dass sie besonders gut darin sei, sich Kritik zu merken. Manchmal wünsche sie sich, bei unangemessenen Kommentaren schlagfertiger zu reagieren. Besonders, weil sie ihre Erfolge auch nicht gerne an die große Glocke hänge. Beispielsweise den „Most Influential Paper Award“, den sie erhalten hat. Diesen Preis verliehen ihr 2022 die Organisatoren der „Software Product Line Conference“ für einen Beitrag aus dem Jahr 2010. Über die zwölf Jahre seit seinem Erscheinen hat er sich als besonders wertvoll für die wissenschaftliche Community erwiesen zu einer Reihe darauf aufbauender Arbeiten geführt. Damit zeige sich für Schaefer, dass man manchmal auch Geduld haben muss, bis sich der wirkliche Nutzen von wissenschaftlichen Resultaten zeigt.