World Usability Day 2022 in Karlsruhe widmet sich der psychischen Gesundheit

World Usability Day 2022

Am zweiten Donnerstag im November findet traditionell der World Usability Day statt – in diesem Jahr unter dem Motto „Our Health“. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability nimmt dies zum Anlass, im Rahmen einer hybriden Veranstaltung Einblicke in digitale Lösungen für den Themenbereich „Psychische Gesundheit“ zu geben. Die Initiative karlsruhe.digital, die dieses wichtige Thema sowie die Veranstaltung als Medienpartner unterstützt, hat mit Florian Onur Kuhlmeier über das Event und das Programm gesprochen.

Pandemie, Krieg und Klimakatastrophen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung enorm gestiegen ist. Wie aus einer erst kürzlich durchgeführten Umfrage der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) hervorgeht, lag die Anzahl der Patientenanfragen im Sommer 2022 um etwa 40 Prozent höher als vor Corona. Bei den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen ist die Nachfrage sogar um 48 Prozent höher als vor der Pandemie.

Expert*innen gehen davon aus, dass es sich dabei um kein vorübergehendes Phänomen handelt, sondern ein Problem, das das ohnehin schon angeschlagene Gesundheitssystem in den kommenden Jahren vor weitere große Herausforderungen stellen wird. Denn schon heute müssen Menschen mit psychischen Problemen im Durchschnitt mehr als fünf Wochen auf ein sogenanntes psychotherapeutisches Erstgespräch und knapp fünf Monate auf einen Therapieplatz warten. In Großstädten sogar oft noch länger. Aus diesem Grund greifen immer mehr gesetzliche und private Krankenversicherungen auf Apps und andere digitale Lösungen zurück, die eine „Online-Psychotherapie ohne lange Wartezeiten“ versprechen.

Welche Potenziale diese tatsächlich bei der Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen bieten, damit befasst sich der World Usability Day 2022 Karlsruhe am 10. November von 14 bis 18 Uhr. Organisiert wird das hybride Event vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability vertreten durch Florian Onur Kuhlmeier und Professor Dr. Mädche, der bei karlsruhe.digital den Arbeitskreis Bildung leitet.

Was können digitale Lösungen bei psychischen Erkrankungen leisten?

„Seit Beginn der Corona-Pandemie kommt es deutschlandweit immer häufiger zu Engpässen bei der Versorgung psychisch erkrankter Menschen. Die Frage, wie man dieses Problem mithilfe der Digitalisierung lösen kann, versuchen seit geraumer Zeit unterschiedlichste Mental Health-Apps zu beantworten,“ erklärt Florian Onur Kuhlmeier im Gespräch mit karlsruhe.digital, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Bereich Digital Mental Health forscht. „Der Vorteil digitaler Angebote liegt vor allem darin, dass sie niederschwellig, ortsunabhängig und 24 Stunden am Tag verfügbar sind. Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene kann Hilfe in Form einer App eine gute Lösung sein, da für viele aufgrund von Stigma, Unsicherheit und dem Bedürfnis, Probleme alleine zu lösen, keine analoge Psychotherapie in Frage kommt.“

Florian Onur Kuhlmeier forscht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Bereich Digital Mental Health.

Grundsätzlich lassen sich die Apps in zwei Kategorien einteilen: „unguided“ und „guided“. Erstere lädt man sich herunter, beantwortet einige Fragen und absolviert danach ein vordefiniertes Programm. Man schaut sich beispielsweise Videos an, bekommt bestimmte Aufgaben gestellt oder führt eine Art Gefühlstagebuch. „Solche standardisierten Apps sind zwar leicht skalierbar und können theoretisch von allen genutzt werden, sind aber anders als Psychotherapeut*innen nicht dazu in der Lage, individuelle Probleme zu erfassen und in die Tiefe zu gehen,“ erläutert Kuhlmeier.

Aus diesem Grund gibt es inzwischen auch „guided“ Apps, die von Online-Videotherapien begleitet werden. Auch hier enthält die App standardisierte Elemente, allerdings haben Menschen mit psychischen Problemen bei diesen Angeboten einmal pro Woche die Möglichkeit, per Videocall mit ihrem persönlichen Coach über ihre Probleme und Fortschritte zu sprechen.

User Experience ist bei Mental Health-Apps entscheidend

„Dennoch beobachten wir, dass Mental Health-Apps insgesamt hohe Abbruchquoten haben, sprich die Menschen hören vor Abschluss der Therapieeinheit auf, die App zu nutzen,“ berichtet Kuhlmeier. „Das ist zugleich auch einer der größten Nachteile der Apps gegenüber einer analogen Psychotherapie: Die digitalen Angebote sind zwar niederschwelliger, aber dafür ist es gleichzeitig mental auch deutlich einfacher, die App vom Smartphone zu löschen, als den Therapieplatz in einer Praxis aufzugeben.“

Und genau an dieser Stelle kommt das Thema User Experience ins Spiel, um das sich der World Usability Day 2022 in Karlsruhe dreht. „Wissenschaftlich fundierte digitale Mental Health-Angebote gab es schon vor vielen Jahren, sogar auf CD-Rom. Allerdings wurden diese kaum genutzt, weil die Oberfläche einfach nicht benutzerfreundlich war. Auf der anderen Seite gibt es Apps mit erstklassiger Usability, die inhaltlich zu wünschen übrig lassen. Diesen Mismatch gilt es zu beheben,“ so Kuhlmeier.

Wie das gelingen kann, darüber diskutieren am 10. November ab 14 Uhr zahlreiche Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft beim World Usability Day 2022 Karlsruhe. Die Teilnahme an der hybriden Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Weitere Informationen sowie das vollständige Programm finden sich hier.