Minimal Carbon Internet ergab sich aus Leidensdruck - Michael Saup im Interview

Der Ressourcenverbrauch einer Blockchain-Transaktion entspricht in etwa dem eines iPhones. Jede einzelne Suchanfrage, jedes gestreamte Lied oder Video und jede Art von Cloud-Computing, milliardenfach ausgeführt, überall auf der Welt, ist für einen global immer größer werdenden Strombedarf verantwortlich – und damit auch für steigende CO2-Emissionen. Das ist nicht jetzt erst seit der Energiekrise ein Problem, aber jetzt braucht es Lösungen.

Nachhaltigkeit ist vor allem eine kulturelle Herausforderung, in der es gilt, alte Muster und Gewohnheiten zu hinterfragen und sich auf Ungewohntes einzulassen. Veränderungen werden durch Kunst und Kultur ganz anders angesprochen als über die Wissenschaft. Insofern ist eine aktive und vielfältige Kunst- und Kulturszene, die sich einbringt, ein wichtiger Motor für Transformationsprozesse.

Die Initative karlsruhe.digital hat sich darauf eingelassen und sich einem künstlerischen Ansatz gestellt: Minimal Carbon Site ist das Ergebnis. Im Interview erklärt der Medienkünstler und Informatiker Michael Saup das Projekt.

Zum Nachlesen:

Sie leben in Berlin, was verbindet Sie mit Karlsruhe?

Mit Karlsruhe verbindet mich eine berufliche Situation. Ich war Professor der Hochschule für Gestaltung am ZKM, deswegen ist es für mich faszinierend, durch die Stadt zu gehen und ihre Veränderungen wahrzunehmen.

Erklären Sie das Projekt „Minimal Carbon Internet“

Minimal Carbon Internet ergab sich aus Leidensdruck. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit dem Leiter einer Forschungsstätte in Berlin. Ich zeigte, wie viel Energie das Internet in Form von Kohle verbraucht und zwar in Form einer Pyramide. Er meinte: "Das ist doch jetzt Leidensdruck!" und ich sagte "Nein, eigentlich nicht, das ist Logik!" Information benötigt Energie. Wie es sich herausstellt, benötigt Information sehr viel Energie. Also dachte ich: "Okay, dann mache einen Schritt und biete eine Lösung an!"

Wozu der Klon von karlsruhe.digital? Was erwarten Sie sich?

karlsruhe.digital ist sozusagen der Prototyp. Wie viel Energie kann man sparen? Ich dachte das ist vielleicht die Hälfte, aber nein, es ist Faktor 20, also 95 Prozent! So gesehen könnte man weltweit eine Menge Kraftwerke abschalten. Man muss nur schauen, auf was für Servern die meisten Seiten laufen: Kohle befeuerte Server, die keinen guten Fußabdruck hinterlassen in unserer Gesellschaft. Deswegen zeigen wir auf der Website auf, wie viel Energie eingespart wird, denn wenn wir das nicht tun, bleibt die Verbesserung der Nachhaltigkeit im Verborgenen.

Wodurch unterscheidet sich „Minimal Carbon Site“ von den Ideen/Methoden des nachhaltigen Webdesigns?

Es gibt aktuell sehr wenige nachhaltige Webseiten. Hauptsächlich werden Webseiten optimiert, um sie statisch und damit schneller zu machen. Um das SEO Ranking zu verbessern. Ich kann aber genauso gut argumentieren: "Es geht mir nicht vordergründig um das SEO-Ranking, sondern es geht mir vordergründig um die Nachhaltigkeit!"

Wie geht’s es weiter mit „Minimal Carbon Internet“?

Idealerweise würde man alle Webseiten im Verbrauch reduzieren und schauen, dass die ganze Welt nicht mehr auf fossilen Brennstoffen agiert. Es ist nicht der Brennstoff der hier fossil ist! Unsere Gedanken sind fossil! Und solange wir hier oben alles verbrennen, wird auf der Welt kein Platz sein für eine neue Art von terrestrischer Intelligenz. Das Internet wird so niemals zu einer Blüte des Geistes und zum Frieden in der Gesellschaft finden. Das ist meine Prognose.