Die Zukunft der Museen mitgestalten
KI-Pilot*innen des Badischen Landesmuseum Karlsruhe
Aus unserem Alltag ist Künstliche Intelligenz – kurz KI – längst nicht mehr wegzudenken. Wir alle nutzen sie: ob wir mit Alexa oder Siri sprechen, uns von Netflix oder TikTok Filme oder Videos vorschlagen lassen – wir nutzen sie permanent, ob bewusst oder unbewusst. Die Vorteile, die KI mit sich bringt, können aber auch an Orten eingesetzt werden, die nicht automatisch mit neuen Technologien in Verbindung gebracht werden. Museen zum Beispiel. Sonja Thiel vom Badischen Landesmuseum hat mit uns über das anwendungsbezogene Forschungsprojekt “KI-Pilot*innen” gesprochen, in dem das KI-gestützte Empfehlungs- und Assistenzsystem xCurator entstehen soll. Die Projektleiterin für KI und Creative User Empowerment erklärt, wie Künstliche Intelligenz den Museumsbetrieb verändern kann und wieso diese Entwicklung im besten Fall in Abstimmung mit den Nutzenden passiert.
Wie Kunst, Museum und Künstliche Intelligenz zusammenfinden, dies erforschen die KI-Pilot*innen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe in regelmäßigen online Gesprächsrunden. Dort diskutieren sie aktuelle Trends, die neuesten Entwicklungen und mögliche Anwendungen für Zugang zu Kultur. “Wie wir kommunizieren, arbeiten, Daten oder Inhalte suchen – wir leben in einer algorithmisch unterstützen Kultur. Doch wie entwickeln und gestalten wir diese Systeme? Welches emotionale Verhältnis haben wir zu digitalen Assistenten*innen, welche Handlungsfähigkeit schreiben wir ihnen zu und welchen Einfluss wollen wir ihnen geben?” Antworten auf diese Fragen möchte Sonja Thiel mit dem Partizipationsprojekt finden.
Deep Learning – mit der KI eine neue Perspektive schaffen
Wenn sie von KI spricht, dann umfasst das auch die Bereiche “Machine Learning und Deep Learning”. Dabei gehe es um Verfahren aus der Informatik, bei der Systeme Daten und Umgebungen analysieren und mit einem gewissen Grad an Autonomie handeln können. Besonders bekannt seien die Anwendungen bei Sprachassistenten, Bildanalysesoftware, Suchmaschinen oder Texterkennung, so Thiel. “Mit all diesen Möglichkeiten wandelt sich seit Jahren der Umgang mit Medien, technischen Geräten und der Zugang zu Wissen rasant.”
Sie ist überzeugt davon, dass Museen, wie andere Arbeits- und Lebensbereiche auch, künftig algorithmisch gestaltet sein werden. Die klassischen Aufgaben der Museen, Kulturgeschichten zu sammeln, zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln und dabei Reflexions- und Austauschort zu sein für Themen, die uns als Menschen bewegen, würden durch KI unterstützt. So könnten Machine Learning und Deep Leaning dafür verwendet werden, das Vorhandene neu zu betrachten. “Indem die KI die Archive oder Exponate der Sammlungen neu sortieren, können so auch neue Zusammenhänge sichtbar gemacht werden. Wie genau das aussehen soll und welche Aufgaben eine Künstliche Intelligenz in Zukunft am Badischen Landesmuseum und beim Kooperationspartner Allard Pierson Amsterdam übernehmen soll, bestimmen auch die KI-Pilot*innen”, erklärt Thiel im Gespräch.
KI-Pilot*innen – vordenken in der Museumslandschaft
Sie sind Teil des Projektes „Creative User Empowerment“ des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, das in Kooperation mit Allard Pierson, dem Museum der Universität Amsterdam, durchgeführt wird. Es zielt darauf ab, digitale Ressourcen von Museen durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz personalisiert zugänglich zu machen. Im Rahmen des Projekts soll das KI-gestützte Empfehlungs- und Assistenzsystem xCurator entstehen, welches einen individuellen Zugang zu den digitalen Sammlungsbeständen und damit dem Schatz vieler Geschichten an beiden Museen eröffnet. Beide Museen bieten Zugänge zu 50.000 Jahren Kulturgeschichte aus den Bereichen Archäologie, Kunst, Design, Fotografie und vielem mehr. Das Projekt richte sich dabei allerdings vor allem an Online-Nutzer*innen, so Thiel.
Konkret handelt es sich bei den KI-Pilot*innen um ein anwendungsbezogenes Forschungsprojekt, dass die Entwicklung des xCurator aktiv begleitet. Die Gruppendiskussionen finden deshalb an vier festgelegten Zeitpunkten statt, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Neben verschiedenen thematischen Inputs geht es um konkrete technische Möglichkeiten und Grenzen und ethische Abwägungen. Die Gespräche bestimmen so die Entwicklung des Museums und des digitalen Formats maßgeblich mit. Die KI-Pilot*innen sind somit die Brücke zwischen dem Entwicklerteam und den zukünftigen Museumsbesucher*innen. Dank der Nähe der KI-Pilot*innen zum Projekt kann so engmaschig auf die Rückmeldungen eingegangen und Änderungen im Prozess vorgenommen werden. „Ich finde es toll, dass die Vorschläge aus unseren Sitzungen mit eingeflossen sind. Das ist dann natürlich schon eine Würdigung von unserer Arbeit“ berichtet ein*e KI-Pilot*in.
Museum digital
“Museen sind Orte der Begegnung. Sie bringen Menschen zusammen, um einen offenen Dialog auf Augenhöhe führen zu können – auch im Digitalen” so Thiel. Nicht nur könne Kuration und Ausstellung dann anders gedacht werden, Museen würden auch niedrigschwelliger und für die Menschen nutzbar werden, die den Weg ins Museum physisch nicht gehen können oder wollen.
“Mitmachen können beim Digitalen Museum alle, die sich einbringen wollen. Alle, die Lust haben, gemeinsam mit ihren Ideen und Meinungen das KI-gestützte Museum mitzugestalten und nebenbei zu lernen, was die Zukunftstechnologie kann und wie sie sich gestalten lässt” erklärt Thiel. Es sei völlig egal ob Hobby-ITler, Sammler*in aus Leidenschaft, technikaffine Pädagog*in oder Dauernutzer*in von digitalen Sammlungsdatenbanken – jede einzelne Meinung zähle und fände im Diskussionsprozess Gehör.
KI-Pilot*innen werden und die Zukunft mitgestalten
Das Projekt geht bereits in die dritte Runde und Anfang September kommen die KI-Pilot*innen erneut zusammen, um über die digitale Zukunft der musealen Sammlung des Badischen Landesmuseum Karlsruhe zu diskutieren.
Interessierten steht Anmeldung für die nächsten Runden unter creative@landesmuseum.de offen.
Nächste Termine:
7.9.2022, 19 Uhr (online)
8.9.2022, 19 Uhr (online)
Foto: Uli Deck