„Smart East“

Karlsruhe: Energiewende durch Digitalisierung

Die Zeit für die Energiewende drängt, wie die Gaskrise sehr deutlich macht. Aber nicht nur werden fossile Brennstoffe knapper, auch der Stromverbrauch wird steigen, denn in Zukunft soll sowohl beim Heizen als auch bei der Mobilität verstärkt auf Elektrifizierung gesetzt werden. Auch wenn es bei den Zukunftsthemen Digitalisierung und Klimaschutz häufig um die CO2-Bilanz digitaler Infrastruktur geht, denn Rechenzentren, Netze und Endgeräte brauchen Strom und Rohstoffe in rasant steigendem Maß, so ist Digitalisierung doch auch integraler Bestandteil der Lösung der Problematik um die Energieversorgung der Zukunft. Denn ohne digitale Technologien kann die Energiewende nicht funktionieren, erklären Dr. Christoph Schlenzig und Manuel Lösch vom Karlsruher Reallabor-Projekt „Smart East“.

Heute stammt bereits rund die Hälfte der Stromversorgung in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Der Rest aber speist sich nach wie vor aus Quellen, wie Atomkraft oder Gas. Insbesondere in den Wintermonaten wird viel Strom durch Gas erzeugt. Und das wird knapp. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat daher am 23. Juni 2022 die Alarmstufe des Notfallplans Gas in Deutschland ausgerufen und auch die EU hat reagiert und den Gas-Notfallplan in Kraft gesetzt. Klar ist, es reicht für eine Energiewende nicht aus, auf die Erzeugung allein zu achten. Es geht auch darum, die Versorgungs-Technologie und -Infrastruktur an die Veränderungen anzupassen.

An dieser Stelle setzt die Forschung und Entwicklung des 2020 gegründeten Reallabor-Projekts „Smart East“ in Karlsruhe an. Das Projekt wurde von Dr. Christoph Schlenzig – Gründer, ehemaliger Geschäftsführer und Beirat der Seven2one Informationssysteme GmbH – und Manuel Lösch – Abteilungsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik – initiiert. Es erprobt in einem bestehenden Wohn- und Gewerbequartier im Karlsruher Osten die Gestaltung der Energiesysteme der Zukunft.

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Zu Gast beim InnovationFestival 2021 @karlsruhe.digital: Dr. Christoph Schlenzig und Manuel Lösch.

Federführend beforschen Institutionen aus der Energie- und Technologiebranche Möglichkeiten eines smarten, energieoptimierten und klimaschonenden Quartiers. Entlang der Innovationsachse „Haid-und-Neu-Straße“ werden mit dem Leuchtturmprojekt in der Forschung designte Geschäftsmodelle in die Praxis umgesetzt und unter realen Bedingungen erprobt. Das Quartier umfasst unter anderem die Hoepfner Burg, das House of Living Labs, aber auch ein Mehrgenerationenhaus und ein Start-up-Zentrum.

Klimaschutz, Digitalisierung, Partizipation und neue Geschäftsmodelle

Die Bestandsgebäude sollen energetisch optimiert und damit energieeffizienter werden. Klimaschutz gehört dabei ebenso zu den Aktionsfeldern des Reallabors wie die Digitalisierung der energetischen Infrastruktur, die Partizipation aller relevanten Zielgruppen und das Ausloten von neuen Geschäftsmodellen durch den Umbau der Energieversorgung. Wissenschaftlich begleitet wird „Smart East“ vom FZI Forschungszentrum Informatik und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die neben den Stadtwerken Karlsruhe und der Seven2One Informationssysteme GmbH zu den Verbundpartnern des Projektkonsortium gehören.

Ziel des Reallabors ist es, bis zum Ende der Projektlaufzeit im Jahr 2023, gemeinsam mit den Eigentümern, Anlagenbetreibern, Mietern und dem lokalen Energieversorger, die Gebäude im Quartier energetisch und informatorisch zu vernetzen, ein Quartiers-Energiemanagement aufzubauen und die Potenziale für eine klimaschonende Energieversorgung zu erschließen. Smart East setzt dabei auf die Stärkung von lokaler Energiegewinnung. „Strom soll dort verbraucht werden, wo er erzeugt wird und dann verbraucht werden, wenn er da ist“ erklärt Manuel Lösch. Das entlaste die Netze und erlaube es außerdem die dynamischen Energiepreise zu konvertieren. Denn die intelligente Technologie ermögliche es, den Stromverbrauch nicht nur an die Lastsituation und die Ladesituation, sondern auch an die Preise der externen Anbieter automatisiert anzupassen.

Energiewende von unten

„Um es auf den Punkt zu bringen, Smart East hat Vorbildcharakter. Es soll eine Blaupause werden, für andere Stadtteile, Kommunen und Städte“, sagt Manuel Lösch. Und auch Christoph Schlenzig ist nach der Halbzeit des Projekts zuversichtlich. „Es wurde schon viel erreicht“. Mittlerweile funktionierten die Infrastruktur und der digitalisierte Energieverbrauch der sechs Gebäude kann in Echtzeit erfasst werden.

Smart East wird ausgezeichnet als Ort der Möglichkeiten.
Smart East wird ausgezeichnet als Ort der Möglichkeiten. Foto: Smart East.

Dass die Erkenntnisse aus dem Projekt „Smart East“ künftig auch auf andere Gewerbeparks übertragbar sind und dadurch einen Beitrag zur Energiewende leisten können, steht für Schlenzig und Lösch schon heute fest. Die Projektergebnisse auf Wohngebiete zu übertragen sei wegen der komplett unterschiedlichen Voraussetzungen allerdings nur bedingt möglich. Das liege auch an den bürokratischen Vorgaben, sagt Schlenzig. Die Mieterstromabrechnung sei zu komplex. „An den Privathaushalt wollen wir aber auch nicht ran, wir sehen die Chancen auf Quartiersebene und die loten wir in unserem Projekt aus“ erklärt Lösch.

Und dass lokal gewonnene Energie direkt umgesetzt werden kann, zeigt das Reallabor. „Unserer Einschätzung nach können 70 Prozent des Stroms aus den PV-Anlagen direkt von den Büros verbraucht werden“, betont Schlenzing. Das größte Potenzial auch die restlichen 30 Prozent nachhaltig und quartiersnah umzusetzen, sehen die Projektverantwortlichen beim Thema Elektromobilität.50 Ladesäulen für Elektroautos werden in Kürze errichtet, natürlich ausgestattet mit einem Energiemanagement. „Elektromobilität ist im Kommen und der Bedarf an Ladepunkten wird steigen“, sagt Schlenzig. Aus diesem Grund habe sich das Projekt bisher stark auf diesen Bereich fokussiert, erklärt Lösch.

Zukunftsperspektive: rentable Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien

„Nun wollen wir uns mit den Netzbetreibern synchronisieren und nach Möglichkeiten suchen, um auch am Energiemarkt Geld zu verdienen“, kündigt Schlenzing an. Energieversorger hätten längst erkannt, dass der Verkauf von Kilowatt kein tragfähiges Zukunftsmodell ist, da immer häufiger Energie dezentral erzeugt würde. „Es hat ein Umdenken eingesetzt bei Energieversorgern, die zunehmend Perspektiven in Richtung Management der dezentralen Energieanlagen entwickeln. Also statt lediglich Energie zu liefern, werden künftig Services immer weiter an Bedeutung gewinnen.“

Eine erste Ausgründung hat das Projekt jüngst hervorgebracht. „InnoCharge hilft Energieversorgern und Quartiersbetreibern günstige und grüne Ladungen für Elektro­autos anzubieten“, erklärt Lösch. Das Softwarepaket ermögliche es, die Rentabilität im Stromvertrieb zu erhöhen bzw. Nebenkosten durch Ladevorgänge effektiv senken. „Das Absatzpotenzial ist enorm, denn für jedes Elektrofahrzeug ergibt sich ein zusätzlicher Strombedarf in der Größenordnung eines Mehrpersonenhaushalts“ so Lösch. „Geschäftsmodelle mit erneuerbaren Energien sind rentabel und bei weitem kein Subvenstionsmoloch, das zeigt Smart East“.

Fotos: Smart East.