Coding da Vinci: Der Hackathon für Kulturdaten zu Gast in Karlsruhe

Coding da Vinci – ZKM

In diesem Jahr fand der Kultur-Hackathon Coding da Vinci in Baden-Württemberg statt – und demonstrierte eindrucksvoll, was möglich ist, wenn sich die Kultur- und Technikwelt miteinander vernetzen.

Ein Kind betrachtet sich fasziniert im Spiegel und bestaunt das kunstvoll gestaltete Kleid, das ihr der „Magic Mirror“ an den Körper zaubert. Technisch möglich wird das durch die Kombination aus einer Kamera, einem Touchdisplay und künstlicher Intelligenz. Das eigentlich Besondere daran ist aber etwas ganz anderes: Die Textur des Kleidungsstücks wird aus 236 Kunstwerken der Staatsgalerie Stuttgart generiert und an die Körper der Betrachter*innen angepasst.

Entwickelt wurde der „Magic Mirror“ im Rahmen des Kultur-Hackathons Coding da Vinci, der in diesem Jahr in Baden-Württemberg gastierte. „Coding da Vinci hebt sich von anderen Hackathons vor allem dadurch ab, dass dieser in Verbindung mit unserem kulturellen Erbe steht,“ erklärt Projektkoordinatorin Sylvia Petrovic-Majer von OpenGLAM.at. „Im Bereich Kunst und Kultur existiert eine unglaubliche Fülle an Daten, aber leider sind nur wenige davon offen verfügbar, weil es lange Zeit sehr viele Vorbehalte gab. Vor zehn Jahren dachte man beispielsweise vielerorts noch, dass niemand mehr ins Museum kommt, wenn alles offen zugänglich ist. Inzwischen wissen die Verantwortlichen natürlich, dass digitale Sichtbarkeit wichtig ist, um für die Menschen interessant zu sein.“

Dass manche Daten nun digital verfügbar sind, heißt aber natürlich noch nicht, dass sie auch frei verfügbar sind – und genau hier setzen Projekte wie Coding da Vinci an. „Es geht darum, all die Artefakte und Meta-Daten für die Bevölkerung zu öffnen, denn immerhin werden die meisten Kunst- und Kulturinstitutionen von Steuergeldern gefördert. Deshalb müssen Kunst und Kultur einen festen Platz im Alltag der Menschen haben und dürfen nicht nur ein Luxusgut sein,“ betont Petrovic-Majer.

Das ließen sich insgesamt 34 Museen, Bibliotheken, Archive und Gedenkstätten aus dem Südwesten nicht lange sagen – und stellten ihre Daten für Coding da Vinci offen zur Verfügung. Zum Hackathon-Kick-Off Anfang Mai trafen sich dann über 180 Coder*innen, Kreative, Kunstschaffende und Studierende im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe.

Bei Coding Da Vinci geht es darum, durch geteiltes Wissen gemeinsam neue Dinge zu erschaffen. Foto: Tanja Meißner, CC BY-SA 4.0

Aus alten Kulturdaten etwas Neues erschaffen

Einer von ihnen ist der Bildhauer Friedrich Riedelsberger: „Ich verfolge Coding da Vinci schon eine ganze Weile – und als ich gesehen habe, dass der Kultur-Hackathon in diesem Jahr nach Baden-Württemberg kommt, habe ich mich kurzerhand dazu entschlossen, am Kick-Off im ZKM teilzunehmen und mir die Vorstellung der Datensets anzuschauen.“

Wie viele andere auch, hatte der Künstler vorab keine bestimmte Idee im Kopf. Vielmehr fand er die Vorstellung spannend, interdisziplinär an einem Projekt mit offenen Kulturdaten zu arbeiten und daraus etwas Neues zu erschaffen.

„Vor Ort haben dann Datensets des Kreisarchivs Esslingen mein Interesse geweckt, über die ich auch mein Team kennengelernt habe,“ erzählt Riedelsberger. „Während ich kunstgeschichtliches Wissen einbringe, übernimmt Robert den Part des Programmierers, Liliya ist Grafikdesignerin und Pia studiert Kommunikationswissenschaften. Gemeinsam haben wir die Idee zu einer App für den Landkreis Esslingen entwickelt.“

Die daraus hervorgegangene App KIS – „Kunst im Städtle“ nimmt die Menschen basierend auf den zur Verfügung gestellten Geodaten mit auf eine interaktive Entdeckungsreise durch die schwäbischen Ortschaften und macht dabei Kunst im öffentlichen Raum erlebbar – reflektiert durch die Stimmen und Gesichter historischer prominenter Persönlichkeiten. Man bewegt sich frei in der Landschaft und entdeckt dabei auf spielerische Weise Denkmäler und Skulpturen, erfährt aber auch mehr über deren Bedeutung und Historie. 

Insgesamt haben mehr als 20 Projektteams die offenen Kulturdaten genutzt, um während der siebenwöchigen Sprint-Phase ihre Ideen umzusetzen. Herausgekommen sind dabei ganz unterschiedliche digitale Anwendungen: Angefangen bei dem eingangs erwähnten „Magic Mirror“ und der App von Friedrich Riedelberger, über ein Rollenspiel, das die Malerei der Romantik mit der Retro-Optik früherer Videospiele und eigens erstellten Illustrationen vereint, bis hin zu einem Kartenspiel, das die Themen Humor und Subjektivität verhandelt, und dessen Gewinner*in im Anschluss eine der Spielkarten als Non-fungible Token (NFT) erhält.

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Hackathons bieten Mehrwert für die Gesellschaft

„Ein Kultur-Hackathon sorgt dafür, dass die Menschen sehen, was möglich ist – und was aus den Daten entstehen kann. Das wiederum führt dazu, dass sich auch  Kulturinstitutionen mehr Gedanken darüber machen, welche Daten sie für solche Projekte öffnen können,“ erklärt Sylvia Petrovic-Majer, die sich in Österreich seit vielen Jahren für offene Daten im Kulturbetrieb einsetzt. „Bei Veranstaltungen wie Coding da Vinci ist es dann unglaublich spannend zu sehen, was passiert, wenn so viele Leute sich zu einem Thema zusammenfinden und ihr Wissen teilen. In diesem Innovationsfeld aus interdisziplinärem Wissen entstehen Ideen und Projekte, die eine Einzelperson so gar nicht umsetzen könnte.“

Am Ende geht es bei einem Kultur-Hackathon wie Coding da Vinci, der seit 2014 Jahr für Jahr Kultureinrichtungen mit Studierenden sowie Open-Data- und Creative-Tech-Communities zusammenbringt, also vor allem darum, durch geteiltes Wissen gemeinsam neue Dinge zu erschaffen.

Andererseits helfen Hackathons aber auch dabei, den Begriff „Hacken“ von seinem Stigma zu befreien. Denn medial wird das Hacken nach wie vor als etwas Schlechtes dargestellt. Wenn darüber berichtet wird, dann in aller Regel in einem negativen Kontext, etwa einem Hackerangriff. 

„Im Endeffekt heißt Hacken aber nur, die Dinge etwas anders zu sehen und zu betrachten, gewissermaßen out-of-the-box zu denken. Deshalb machen wir mit Coding da Vinci einen kreativen Hackingspace auf, in dem wir Dinge neu denken und Neues aus den Datensätzen erschaffen, dabei aber dennoch Persönlichkeits- und Urheberrechte schützen,“ erzählt Petrovic-Majer. „Solche Beispiele müssen einfach noch viel mehr in die Medien getragen werden, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was Hacken tatsächlich bedeutet und welche Innovationen dadurch hervorgebracht werden können.“

Eine Übersicht der aller im Rahmen von Coding da Vinci entstandenen Projekte finden Interessierte hier.

Fotos: Tanja Meißner, CC BY-SA 4.0