fair.digital: Karlsruher Gütesiegel für Datenschutz in der IT-Branche

Martin Hubschneider beim InnovationFestival @karlsruhe.digital

Das sechseckige Bio-Siegel und das rechteckige „Fair Trade“-Abzeichen zeigen der Kundschaft im Supermarkt schon seit vielen Jahren, welche Produkte aus ökologischem Anbau stammen oder unter fairen Handelsbedingungen angebaut und nach Deutschland gebracht wurden. Nun gibt es auch in der IT-Branche ein solches Siegel. Das Gütesiegel „fair.digital“ steht künftig für einen transparenten, sicheren und fairen Umgang mit Nutzerdaten. Mit der Zertifizierung werden Software, Hardware und IT-Anwendungen ausgezeichnet.

„In den vergangenen Jahren erschütterten zahlreiche Datenschutz-Skandale die Welt. Deshalb möchten wir den Verbrauchern mit dem Gütesiegel Orientierung geben“, so Martin Hubschneider, der am 16. Oktober 2020 beim InnovationFestival der Initiative karlsruhe.digital das Siegel und den dahinter stehenden Verein erstmals öffentlich vorstellte. Der Gründer der Karlsruher Softwarefirma CAS Software AG und geschäftsführender Vorstand des CyberForum e. V. ist erster Vorsitzender des Vereins fair.digital.

Klare Vergabekriterien

Die Vergabekriterien für das Gütesiegel sind klar definiert. fair.digital-Produkte und -Dienste müssen die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) vollständig und konsequent umsetzen. Zweite Voraussetzung für den Erhalt des Siegels sind der transparente Umgang mit Dateneinstellungen und Kontaktmöglichkeiten. Dazu müssen die Nutzungsbestimmungen leicht verständlich formuliert und öffentlich einsehbar sein. Die im Siegel erwähnte Fairness spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Das bedeutet: Die Hoheit der Nutzer*innen über ihre personenbezogenen Daten muss respektiert werden. Deshalb werden möglichst wenige Daten erhoben und diese nicht ohne Zustimmung weitergegeben. „Dieses Siegel soll IT-Anbieter unterstützen, die den europäischen Datenschutz und faires Handeln ernst nehmen“, so Hubschneider.

Gegenentwurf zur Datensammelwut der US-Konzerne

Den Bedarf für ein solches Siegel sehen die Gründer*innen des Vereins fair.digital in Deutschland und Europa auf jeden Fall. Viele Bürger*innen stehen der Datensammelwut der großen US-Plattformanbieter nach Hubschneiders Einschätzung mittlerweile sehr skeptisch gegenüber. Außerdem würden die meisten Menschen in Deutschland nicht akzeptieren, dass ausländische Aufklärungsdienste mit ihren persönlichen Daten Wirtschaftsspionage betreiben. Stattdessen erwarten sie einen fairen und transparenten Dialog zwischen Anbietern sowie Anwendern von IT-Lösungen.

In der Wirtschaft wächst die Skepsis aufgrund der regelmäßigen Datenschutzverletzungen der großen IT-Giganten ebenfalls. Laut einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom haben die Bedenken deutscher Unternehmen gegenüber US-amerikanischen Cloud-Diensten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Grund für diese Entwicklung war vor allem die Sorge vor einem unberechtigten Daten-Zugriff.

Martin Hubschneider, Vorsitzender des Vereins fair.digital | Foto: Dennis Dorwarth

Lange Liste von Datenschutz-Skandalen

Die Liste der Datenschutz-Skandale ist lang. Zu den wichtigsten zählen die NSA-Affäre, bei der Whistleblower Edward Snowden die Überwachungspraktiken von Geheimdiensten enthüllte, und der Skandal um das Datenanalyseunternehmen Cambridge Analytica, bei dem Facebook-Daten vor vier Jahren zur Manipulation des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA missbraucht wurden. Auch während des aktuellen Wahlkampfs zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden warnen Datenschützer*innen immer wieder vor einer Einflussnahme und Wahlbetrug durch den Einsatz von nicht geschützten Nutzerdaten.

Vereinsvorstand aus Karlsruher IT-Experten

Der Verein fair.digital hat seinen Geschäftssitz in Karlsruhe. Zum Vorstand gehören außer dem Vorsitzenden Martin Hubschneider noch Professor Alexander Mädche vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Online-Expertin und Gründerin Andera Gadeib, IT-Rechtsexperte Professor Michael Bartsch sowie Oliver Grün, Alleinaktionär der GRÜN Software AG sowie Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand und Mitglied des IT-Beirats der Bundesregierung.