KIT-Institut CEDIM und Risklayer: Karten und Daten gegen die Pandemie

Screenshot einer Karte mit Informationen zur Corona-Pandemie auf der Webseite von Risklayer.

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie liefern die interaktiven Risklayer-Karten aktuelle Zahlen von Covid-19-Infizierten sowie weitere relevante Informationen. Entwickelt wurde die Plattform von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammen mit Risklayer GmbH, einer Ausgründung von CEDIM.

Normalerweise steht die Erforschung von Naturkatastrophen im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten von CEDIM. Doch derzeit bestimmt Corona auch bei CEDIM-Sprecher Michael Kunz den Alltag. karlsruhe.digital hat sich mit dem Meteorologen über die Wichtigkeit von Daten beim Kampf gegen eine Pandemie unterhalten.


karlsruhe.digital: Beim Blick auf die Risklayer-Karten erhält man schnell einen Überblick über das Ausmaß der Corona-Pandemie in Deutschland. Woher hat das CEDIM eigentlich diese Daten?

Michael Kunz: Prinzipiell sind es die gleichen Zahlen, die auch von anderen Institutionen veröffentlicht werden wie etwa vom Robert-Koch-Institut (RKI). Was die Daten von Risk-Layer besonders macht: Sie sind aktueller und mehrfach verifiziert gegenüber den Zahlen, die über offizielle Kanäle zur Verfügung gestellt werden. Für Deutschland greift Risklayer/CEDIM die Daten direkt von den 401 verschiedenen Gesundheitsämtern ab. Bis die Daten von den Ämtern ans RKI übermittelt werden, dauert es teilweise einen oder zwei Tage. Deshalb weichen unsere Zahlen auch von den Veröffentlichungen des RKI ab und sind in der Regel höher. Außerdem berechnen wir anhand von aktuellen Bevölkerungszahlen weitere Größen wie beispielsweise Mortalitätsrate, Letalitätsrate oder Anzahl der Genesenen, in Deutschland auf Ebene der Landkreise, weltweit auf Ebene von Regionen oder Bezirken.

Wozu braucht es bei der Bewältigung einer monatelangen Pandemie eigentlich tagesaktuelle Daten?

Kunz: Wenn etwa beschlossen wird, dass in Landkreisen ab einer bestimmten Zahl von Neuerkrankungen die Ausgangsbeschränkungen verschärft werden müssen, kann das nur aufgrund von aktuellen Zahlen erfolgen. Allerdings müssen auch diese Daten genau bewertet werden. Es braucht schließlich eine gewisse Zeit, bis Personen mit Symptomen getestet werden und diese dann in der Statistik auftauchen. Außerdem brauchen wir dringend eine bessere Abschätzung des Unsicherheitsbereiches. Nach ersten Erkenntnissen aus der Studie von Heinsberg kann die Zahl der Infizierten bis zu zehnmal höher liegen als bislang bekannt.

„Da hilft nur testen, testen, testen.“

Wie kann man bessere Zahlen bekommen?

Kunz: Da hilft nur testen, testen, testen. Das haben wir am eigenen Leib erlebt. Meine Frau war mehrere Tage mit einer positiv getesteten Person auf Skitour. Trotz anschließender leichter Symptome und einer Meldung über den Hausarzt beim Gesundheitsamt wurden wir nicht getestet. Der Unsicherheitsbereich kann aber nur durch eine Erhöhung der Testkapazitäten besser eingegrenzt werden.

War man beim CEDIM eigentlich auf ein derartiges Szenario vorbereitet?

Kunz: Das Thema Pandemie hat bei uns wie bei vielen anderen Katastrophenforschern leider keine große Rolle gespielt. Hauptsächlich beschäftigen wir uns großen mit Naturkatastrophen wie Hochwasser, Sturmfluten oder Erdbeben. Auch dabei spielen aktuelle Daten eine wichtige Rolle.

Entscheidungsgrundlage für Politik und Bevölkerung

Warum ist das so?

Kunz: Um möglichst rasch und angemessen reagieren zu können, vor allem in den am stärksten betroffenen Regionen. Was wir deshalb machen, ist unmittelbar nach einer Katastrophe die Betroffenen, das Ausmaß und die Schäden schätzen – mithilfe eigens entwickelter Methoden und Modelle sowie einer der weltweit größten Katastrophen- und Bevölkerungsdatenbanken (CatDat), die wir auch jetzt bei der Corona-Pandemie verwenden. Daraus berechnet sich dann beispielsweise die Zahl der Notunterkünfte, die direkt nach einem solchen Ereignis benötigt werden. Sehr schnell möglichst gute und verlässliche Daten zu erhalten, ist sicherlich auch eine Parallele zwischen Naturkatastrophen und einer Pandemie. Auch bei einer Pandemie sind aktuelle und genaue Zahlen wichtig, um das Ausmaß regional einzuordnen – als Entscheidungsgrundlage sowohl für die Politik, um abgestimmte und notwendige Maßnahmen treffen zu können, als auch für die Bevölkerung, die ja diese Entscheidungen verstehen und mittragen muss.