Empathie trifft Technologie – Patricia Masur & Melanie Reis über Toxifree #DigiWomenKA

Zum Beitrag über die Gründerinnen von Toxifree

Wenn aus Freundschaft eine Mission wird – Zwei Gründerinnen, die Frauen digital empowern

von Katharina Iyen

Weibliche Vorbilder sind wichtig. Sie zeigen Möglichkeiten auf, helfen dabei, eigene Ziele zu definieren, und aus ihren Erfahrungen können wir lernen. In unserer Blogserie #DigiWomenKA trifft Katharina Iyen solche Role Model aus der Karlsruher Digitalbranche, um mehr über sie, ihre Erfahrungen und ihr Engagement zu erfahren. Heute spricht sie mit Melanie Reis und Patricia Masur, den Gründerinnen der App Toxifree. Ihr Ziel: Frauen in toxischen Beziehungen mit Hilfe von KI stärken – digital, empathisch und empowernd.

Von der Idee zur App

Ich treffe die beiden Co-Gründerinnen von Toxifree, Melanie Reis und Patricia Masur, an einem sonnigen Vormittag in der Waldstadt. Um uns herum herrscht geschäftiges Treiben, doch an unserem Tisch ist die Atmosphäre offen und herzlich. Bei Latte Macchiato, Cappuccino und Grüntee beginnt ein Gespräch, das sofort in die Tiefe geht.

Melanie Reis und Patricia Masur sind seit über zwanzig Jahren Freundinnen – nun haben sie gemeinsam ihre App Toxifree gelauncht. Melanie bringt als UX/UI-Designerin und KI-Enthusiastin kreatives Strukturdenken ein. Patricia steuert als psychologische Beraterin empathischen Tiefgang und inhaltliche Kompetenz bei.

Mit Toxifree verfolgen sie ein klares Ziel: Frauen zu unterstützen, toxische Beziehungen frühzeitig zu erkennen und gesunde Strategien zu entwickeln. Die Idee entstand aus dem Wunsch, schädliche Muster sichtbar zu machen – und Betroffenen digitale Werkzeuge für Selbstreflexion und Veränderung zu geben.

Die beiden Gründerinnen am Tisch mit unserer Autorin.
Die beiden Gründerinnen sind mehr als nur Geschäftspartnerinnen. Foto: karlsruhe.digital / Katharina Iyen

Freundinnen seit dem Gymnasium

Vom Kunst-LK zur Gründung: Die Verbindung zwischen Patricia und Melanie begann am Gymnasium in Ettlingen – im Kunst-Leistungskurs. Beide stammen aus dem Albtal, beide trieb früh die Lust auf Kreativität und Entwicklung an.

„Das Dorfleben war uns irgendwann zu eng. Wir wollten in die Stadt, wo mehr Möglichkeiten auf uns warteten“, erzählt Melanie. So zog es die beiden nach Karlsruhe – eine Stadt, die ihnen genau das bot, wonach sie suchten: Raum für Ideen, Offenheit für Neues und ein kreatives, technikaffines Umfeld.

„Karlsruhe ist einfach offen für Neues. Hier konnten wir Toxifree entwickeln – mit kreativer Freiheit und technischer Unterstützung“, ergänzt Patricia.

Besonders prägend war für die beiden das Netzwerk des CyberForum. Es bot ihnen Zugang zu Weiterbildungen, wichtigen Kontakten und konkreter Hilfe bei der Digitalisierung und Skalierung ihrer App.

Auch fellowork, Melanies heutiger Arbeitgeber, wurde zu einem entscheidenden Partner: Als UX/UI-Designerin bringt sie dort ihre Expertise direkt in die Entwicklung von Toxifree ein – und das Unternehmen ist mittlerweile nicht nur technischer Unterstützer, sondern auch Teilhaber.

Der digitale Ansatz: ELVI – KI trifft Empathie

Toxifree unterstützt Frauen in schwierigen Beziehungssituationen durch eine niedrigschwellige, digitale Lösung. „Wir wollten eine App schaffen, die Frauen wirklich abholt – ohne Druck, ohne Scham. Sie sollen sich behutsam annähern können, in ihrem eigenen Tempo“, erklärt Patricia. „Technologie ist für uns ein Mittel, um einfachen Zugang ohne Barrieren zu ermöglichen. Die App soll pragmatisch und gleichzeitig empathisch sein“ ergänzt Melanie.

Herzstück der App ist ELVI, ein KI-gestützter Chatbot, der als sensibler Begleiter wirkt. „ELVI hilft, Worte für Situationen zu finden, für die man vielleicht noch gar keine hat“, so Patricia.

Vier zentrale Module

Toxifree bietet vier zentrale Module, die nach der Sensibilisierung durch ELVI genutzt werden können:

  • Wissensmodule: Informationen und Übungen zu toxischen Beziehungsmustern, Selbstwertgefühl, Grenzen setzen und Selbstliebe.
  • Achtsamkeitsübungen: Techniken zur Stressbewältigung und zur Stabilisierung der eigenen Emotionen.
  • Affirmationen: Positive Sätze zur Stärkung des Selbstvertrauens und für eine optimistische Grundhaltung.
  • Reflexionsübungen: Fragen und Impulse, die zur Selbsterkenntnis und Klarheit führen.
Die App in der Ansicht eines Mobiltelefons
Toxifree soll Frauen behutsam helfen aus toxischen Beziehungen zu finden ohne Druck, oder Scham, also möglischt niedrigschwellig. Foto: karlsruhe.digital / Katharina Iyen

Mehr als Information: Ein Raum für Reflexion

Diese Module ergänzen ELVI gezielt – sie vertiefen die ersten Impulse, bieten praktische Unterstützung und begleiten die Nutzerinnen auf ihrem Weg zu mehr Selbstwahrnehmung und innerer Stärke: „Viele Frauen haben Hemmungen, mit einer realen Person über ihre Situation zu sprechen. Die App gibt ihnen die Möglichkeit, sich in ihrem eigenen Tempo mit den Themen auseinanderzusetzen“, erklärt Patricia.

Das Besondere an ELVI: Sie bietet nicht nur Wissen, sondern auch einen Raum für Dialog. Der Chatbot stellt Fragen, gibt gezielte Impulse und hilft, Erlebnisse und Gefühle besser einzuordnen. Dadurch entsteht ein sicherer Raum, in dem Frauen ihre Erfahrungen reflektieren und klarer benennen können. Melanie betont: „Die Nutzerinnen wissen oft selbst, was sie fühlen und was nicht stimmt. Es braucht manchmal einen geschützten Raum, um Dinge zu formulieren und zu reflektieren.“

Vom Plan zum Prozess – Warum Intuition ihr bester Kompass wurde

Melanie und Patricia – beide Mütter – haben früh erkannt: Für sie funktioniert kein starres Konzept. Planung ja – aber im Flow. „Wir hatten mal für einen Meilenstein einen Acht-Wochen-Plan ausgearbeitet, aber der war viel zu theoretisch“, erinnert sich Melanie lachend. „Am Ende waren die Anforderungen ganz anders als gedacht.“

So entsteht Toxifree heute überwiegend dynamisch. „Manchmal ist es einfach besser, Dinge auszuprobieren, statt sie zu theoretisch zu planen“, sagt Patricia. Sogar der Name „ELVI“ war Ergebnis dieses Prozesses: Ursprünglich hieß der KI-Chatbot intern „Toxi“ – ein Name, der schnell verworfen wurde.

„Davon will man ja gerade weg“, so Melanie. „ELVI soll etwas sein, das den Frauen guttut – eine Begleiterin, die sie einfühlsam und auf Augenhöhe unterstützt“, erklärt Patricia.

Blick nach vorn

Die App ist mittlerweile live – die ersten Nutzerinnen testen die Premium-Version eine Woche kostenlos. Auch neue Ideen sind denkbar: „Irgendwann mal eventuell eine App für Männer zu launchen, schließen wir nicht komplett aus“, sagt Melanie. Kurz überlegen wir noch amüsiert, ob Werbeanzeigen auf Tinder sinnvoll wären. „Zumindest würde das für Aufmerksamkeit sorgen“ wirft Patricia ein und lacht

Nach zwei Stunden muss ich leider zu meinem nächsten Termin. Während Melanie und Patricia sich für ein gemeinsames Mittagessen entscheiden, denke ich mir, dass auch vier Stunden mit den beiden Frauen vermutlich verflogen wären. Und während ich losrausche und beschließe, beim nächsten Treffen keine Anschlusstermine mehr zu machen, denke ich mir: Mehr im Flow eben.

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