#DigitalMindsKA – die Menschen hinter karlsruhe.digital: Helga Huskamp

Portät DigitalMindsKA Dr. Helga Huskamp. Foto: Felix Gruenschloss

Die Initiative karlsruhe.digital vereint Karlsruher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung mit dem Ziel, Karlsruhe als Motor der Digitalisierung voranzutreiben – für Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Souveränität. Sie bündelt Expertenwissen, fördert Vernetzung und bearbeitet Themen ganzheitlich, um die digitale Zukunft der Stadt aktiv zu gestalten.

Und dahinter stehen Menschen. Menschen, die sich engagieren, für etwas brennen und genau deshalb ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Fachwissen einsetzen. Wer diese Menschen, die digitalen Köpfe, sind, möchten wir sichtbar machen. Einmal im Monat fragen wir die Digital Minds danach, was sie antreibt und welche Visionen sie haben.
Im neunten Teil unserer Reihe besuchen wir Dr. Helga Huskamp, geschäftsführende Vorständin des Zentrums für Kunst und Medien | ZKM.

Obwohl die Temperaturen sommerlich warm sind, weht uns ein angenehm erfrischender Wind ins Gesicht, als wir mit dem Fahrrad auf dem Weg zum ZKM sind. Die Stadt zeigt sich an diesem Tag von ihrer besten Seite – lebendig, einladend und voller Energie. Perfekte Ausgangsbedingungen für unser Gespräch mit Dr. Helga Huskamp, der geschäftsführenden Vorständin des ZKM.

Als wir am ZKM ankommen, fällt uns einmal mehr dessen markante Fassade ins Auge. Das geschichtsbeladene Fabrikgebäude strahlt eine faszinierende Mischung aus industriellem Erbe und moderner Kreativität – und es steht für die Transformation von einem Ort der Schrecken des 20. Jahrhunderts zu einem Ort der Freiheit und der Kunst. Mehr Informationen über die leidvolle Geschichte von einer Munitionsfabrik zu einer Kulturfabrik sowie die Verantwortung, die sich daraus für das ZKM ergibt, liefern die Websites des ZKM. Das ZKM würdigte zum 100 Jährigen Bestehen der Fabrik mit seinem Programm der GLOBALE die herausragende architektonische Qualität des monumentalen Baus und gedachte auch der leidvollen Geschichte der ehemaligen Munitionsfabrik.

Wir stellen unser Fahrrad in der Nähe des Haupteingangs ab und nehmen uns einen Moment, um die beeindruckende Architektur zu bewundern. Die großen Fensterflächen lassen das Sonnenlicht ins Innere strömen, was dem Gebäude einen offenen und einladenden Charakter verleiht. Durch den Haupteingang betreten wir das ZKM. Auf dem Weg zum Büro von Helga Huskamp bewundern wir die weitläufigen Hallen und interaktiven Kunstinstallationen, die hier ausgestellt sind – und uns direkt ein Gefühl grenzenloser Möglichkeiten und kreativer Freiheit vermitteln.

Das loftartige Büro, das Huskamp gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter Alistair Hudson nutzt, befindet sich im Obergeschoss. Die großzügigen Fenster bieten einen wunderbaren Blick auf die umliegende Stadt. Wir werden bereits erwartet – und wenig später beginnen wir mit einem Kaffee in der Hand unser Interview mit einer der treibenden Kräfte hinter einer der weltweit einzigartigsten Kulturinstitution.

Von der Marketing-Agentur zum ZKM

Huskamp erzählt uns, dass sie schon die Gründungsphase des ZKM am Rande miterlebt hat. „Damals war ich in München Studentin der Kunstgeschichte“, erinnert sie sich. „Zuerst folgte unser Professor Belting dem Ruf ans ZKM, danach entschloss sich ein guter Freund von mir, dort zu promovieren. Dadurch war das ZKM für mich schon immer eine gesetzte Institution.“

Der Werdegang von Huskamp ist beeindruckend vielseitig. Sie promovierte nicht nur in Kunstgeschichte, sondern hatte auch schon immer ein großes Interesse am Thema Management. „Mich hat stets fasziniert, wie im angloamerikanischen Raum die Museen funktionieren, weil sie eben nicht so vom Staat gefördert werden, wie wir das hierzulande kennen,“ erzählt sie. Aus diesem Grund führte sie ihr Weg über Umwege auch zunächst in die Wirtschaft.

Von München aus begleitete Huskamp auf Agenturseite mittelständische Unternehmen und Konzerne, fokussierte sich auf Markenentwicklung und Marketing und gründete schließlich ihre eigene Agentur. „Trotzdem blieb ich privat natürlich immer der Kunst verbunden“, betont sie. Mit 40 Jahren entschied sie sich dann, wieder verstärkt zur Kunst und Kultur zurückzukehren. Sie übernahm eine Rolle beim Dokumentarfilmfestival in München, gefolgt von Stationen am Bauhaus Dessau und der Staatsgalerie Stuttgart. „Ich mag Projekte, in denen Themen und Strukturen gestaltet werden müssen“, erklärt sie. Ihre neue Position als geschäftsführende Vorständin am ZKM beschreibt Huskamp als Traumjob. „Hier kommen all meine Interessen und Fähigkeiten zusammen – die Vielfalt an Themen kombiniert mit den abwechslungsreichen Aufgabenfeldern“, erzählt sie begeistert. Im ZKM könne sie ihre Leidenschaften für Kunst und Management ideal miteinander verbinden und in einem internationalen Kontext agieren.

Frontansicht des ZKM Karlsruhe
Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe ist eine weltweit einzigartige Kulturinstitution und seit 1997 in einem ehemaligen, denkmalgeschützten Industriebau, dem sogenannten Hallenbau A, welches zu seiner Entstehungszeit (1915–1918) einer der größten und architektonisch fortschrittlichsten Industriebauten Deutschlands war, untergebracht. Auftraggeber war die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM). Foto: Dennis Dorwarth Photographie

Schulterschluss zwischen Kulturleben und Technologischem Fortschritt

Wir könnten noch stundenlang dem faszinierenden Werdegang lauschen, bevor wir unseren Faden verlieren, genehmigen uns aber einen Schluck Kaffee und werfen dabei einen Blick auf unseren Notizblock, wo wir unsere wichtigsten Fragen notiert haben. Und so leiten wir über zu einer Verbindung, die vielleicht nicht immer ganz offensichtlich scheint. Wir wollen wir von Huskamp wissen, welche Rolle die Kultur im Kontext der Digitalisierung spielt.

„Kultur bildet immer die Gesellschaft ab,“ entgegnet Huskamp. Künstler*innen bedienten sich stets der Werkzeuge, die ihnen in ihrer Zeit zur Verfügung stehen. „Im Mittelalter waren das beispielsweise goldene Hintergründe, später folgten Öl und Acryl. Und heute sind es eben Technologien wie Virtual Reality oder Künstliche Intelligenz, die genutzt werden, um aus künstlerischer Sicht gesellschaftliche Themen zu begleiten“ erklärt Huskamp weiter.

Nam June Paik: Arche Noah (1989) © ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Foto Polina Yakusheva
Nam June Paik: Arche Noah (1989) © ZKM Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Foto Polina Yakusheva

Digitale Transformation in Kunst und Kultur

Auch für die Kunst im Allgemeinen und das ZKM sowie andere Museen, stelle die Digitalisierung ein zentrales Thema dar: „Technologien werden immer einfacher und zugänglicher, aber das bringt auch Herausforderungen mit sich“. Früher sei ein großer Bildschirm oder eine medientechnische Installation in einem Museum etwas Besonderes gewesen, heute hingegen gehöre es vielerorts zum Standard. „Diese Verfügbarkeit, die einerseits gut ist, führt andererseits zu einer immer größer werdenden Erwartungshaltung bei den Museumsbesucher*innen. Es lässt sich eine zunehmende Eventisierung beobachten, die für die Museen natürlich auch mit steigenden Kosten verbunden ist.“
Dennoch sei klar, dass die Kunstwelt sich diesen Herausforderungen stellen müsse, um relevant zu bleiben.

Karlsruhe – gute Zusammenarbeit zwischen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung

Zu betonen sei nämlich, dass nicht die Zukunft in der Digitalisierung liegt, sondern die Digitalisierung längst schon ein fester Bestandteil unseres Lebens ist. „Gerade in einer Stadt wie Karlsruhe, die einen starken Technologieschwerpunkt hat, ist es deshalb wichtig, dass sich alle relevanten Institutionen untereinander austauschen. Nur so kann etwas Relevantes entstehen, anstatt dass jeder in seiner eigenen Blase bleibt.“

Generell beschreibt Huskamp die Zusammenarbeit zwischen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung in der Fächerstadt als überaus lebendig. „Dazu tragen vor allem auch Initiativen wie karlsruhe.digital und Events wie die KIT Science Week oder die Bunte Nacht der Digitalisierung bei, die den technologischen Fortschritt für die Bürgerschaft sicht- und erlebbar machen,“ fügt sie hinzu.

„Ich bin ja noch nicht so lange hier, habe aber schnell festgestellt, dass die Stadt lebt, wofür sie steht. Es gibt hier unglaublich viel Dynamik und die Wege sind kurz.“ Eben diese einzigartige Mischung, die Karlsruhe so besonders mache und zur hohen Lebensqualität sowie Innovationskraft der Stadt beitrage, schätzt Huskamp: „Ideen lassen sich schnell umsetzen und Synergien effizient nutzen.“

Immer eine Frage der Teilhabe

Und genau diese Ideen braucht es. Erst am Morgen des Interviews war uns beim Frühstück ein Zeitungsartikel ins Auge gefallen, der vor den „Gefahren der Digitalisierung“ warnte. Uns interessiert, wie Huskamp diese Thematik bewertet.

„Wenn Sie mich so unmittelbar fragen, sehe ich das Risiko, dass die Digitalisierung nicht die Gesellschaft insgesamt mitnimmt“ entgegnet sie. Es sei immer eine Frage der Teilhabe: „Man muss die Technologien und deren Vorteile nicht nur verstehen, sondern sich auch den Zugang, etwa in Form von modernen Smartphones oder Tablets, leisten können.“ Gleichzeitig gäbe es keine Alternative zur Digitalisierung.

Abschluss-Event 2022 im ZKM. Foto: Dennis Dorwarth Photographie
Abschluss-Event der Bunten Nacht der Digitalisierung 2022 im ZKM. Foto: Dennis Dorwarth Photographie

Ein Digital Mind in der Nahaufnahme

Ein Blick auf die Uhr verrät, dass unser Termin sich nun unwiderruflich dem Ende zuneigt. Höchste Zeit, noch ein wenig mehr über das Digital Mind Helga Huskamp zu erfahren. Wir wollen unbedingt noch wissen, wie ein normaler Arbeitstag bei ihr aussieht. Sie lächelt leicht und berichtet ganz offen: „Mein Tag beginnt in der Regel um 9 Uhr und besteht zu 80 Prozent aus Terminen.“ Oft sei sie in Karlsruhe unterwegs, aber auch in Stuttgart, um ihr Netzwerk zu pflegen. Danach folge klassische Schreibtischarbeit, teilweise bis 19 Uhr. Nicht selten hänge dann noch eine Veranstaltung hinten dran.

Wir fragen uns und sprechen die Frage auch direkt laut aus: „Bleibt da überhaupt noch Zeit, um privat abzuschalten?“ Die Antwort kommt prompt: „Klar doch!“ entgegnet Huskamp. „Am besten gelingt mir das beim Schwimmen und Radfahren oder bei Opern- und Kinobesuchen mit Freunden.“ Doch auch das ZKM selbst spiele eine Rolle in ihrer Freizeit: „Ich komme gerne als Privatperson hierher und besuche die Ausstellungen, vor allem am Sonntagnachmittag. Dann nehme ich mir die Zeit, durch unser Haus zu gehen und mir in Ruhe alles anzuschauen, was ich im Alltag nicht schaffe.“ In diesen Momenten, in denen sie durch die vertrauten Hallen des ZKM schlendert, könne sie abschalten und neue Energie tanken – ein schöner Ausgleich zu ihrem intensiven beruflichen Alltag.

Und für uns ein wunderbarer Abschluss für ein so spannendes Gespräch, denn ist es nun wirklich Zeit Frau Huskamp nicht mehr von ihren eigentlich abzuhalten. Auf dem Weg nach draußen werfen wir einen letzten Blick in die großen, lichtdurchfluteten Hallen des ZKM. Wir verabschieden uns und steigen auf unser Fahrrad. Auf dem Heimweg denken wir noch eine Weile über unser Gespräch mit Helga Huskamp und das ZKM nach, eine Karlsruher Institution, die wie keine zweite weit über die Stadt – und sogar Landesgrenze hinaus – für die faszinierende Verbindung von Kunst, Kultur und Technologie steht.

Titelbild: Felix Gruenschloss