Siegel für nutzerzentrierte Software kommt aus Karlsruhe

Mit dem Siegel „Nutzerzentriert entwickelt“ können softwareherstellende Unternehmen künftig für die Bedeutung von guter Bedienbarkeit ihrer IT-Produkte werben. Foto: Usability in Germany e.V.

Mit dem Siegel „Nutzerzentriert entwickelt“ können softwareherstellende Unternehmen künftig für die Bedeutung von guter Bedienbarkeit ihrer IT-Produkte werben. Doch wie kann eine nutzerzentrierte Softwareentwicklung erfolgreich umgesetzt werden? Und wie wird ein solches Siegel überhaupt verliehen? Karlsruhe.digital hat sich beim gemeinnützigen Verein Usability und User Experience in Germany (UIG) umgehört und nach dem Sinn und Zweck des Siegels erkundigt.

Entwicklungsprozesse werden beleuchtet

„Wir zertifizieren nicht das Produkt als solches, sondern es geht uns erst einmal um den Entwicklungsprozess“, sagt Janina Kouvaris, Operations Managerin des UIG. Deshalb werde der gesamte Entwicklungsprozess einer Software bei der Siegelvergabe genau unter die Lupe genommen und sämtliche Schritte von der Organisation bis zur Entstehung intensiv betrachtet. Bei einem Audit mit akkreditierten UX-Expert*innen werden dann die wichtigsten Prozessschritte des nutzerzentrierten Entwicklungsprozesses und zugehörige Ergebnisse analysiert. Dies sind im Wesentlichen: organisieren – verstehen – gestalten – bewerten.  Wurden die Kriterien einer nutzerzentrierten Entwicklung erfüllt, wird das Siegel für ein Jahr erteilt. Ist dies noch nicht in vollem Umfang erfolgt, gibt es auch die Möglichkeit, das Siegel mit Auflagen verliehen zu bekommen.

Zum Siegel gehört eine gute Beratung

„Es geht nicht nur um das Siegel als solches“, stellt Kouvaris klar. „Die Unternehmen erhalten auch eine fundierte Bewertung Ihrer Entwicklungsprozesse, die – richtig umgesetzt – schlussendlich zu einer intuitiven Bedienbarkeit einer Software führen sollte“. Nutzerfreundlichkeit ist für Kouvaris nämlich ein wichtiges Qualitätsmerkmal. „Idealerweise braucht man für ein IT-Produkt in Zukunft keine Bedienungsanleitung mehr“, sagt Kouvaris.

Apple als Vorreiter

Eines der bekanntesten Beispiele für ein nutzerfreundliches Produkt ist nach wie vor das iPhone von Apple. Auf die grundlegende Idee, mehrere Apps wie Telefon, Kamera, Musikbox und Navigationssystem in einem Gerät zusammenführen, waren zuvor auch schon andere Unternehmen gekommen. Doch die ersten Taschencomputer wurden von Techies für Techies entwickelt. Für die Masse der Bevölkerung war die Bedienung zu komplex, erst mit dem intuitiv bedienbaren iPhone wurde das smarte Mobiltelefon zum Massenprodukt und zur Blaupause für eine ganze Generation von Geräten.

Zertifiziert wird nicht das Produkt als solches, sondern der Entwicklungsprozess. Abbildung: Usability in Germany e.V.
Zertifiziert wird nicht das Produkt als solches, sondern der Entwicklungsprozess. Abbildung: Usability in Germany e.V.

Deutschland hat Nachholbedarf

Dass das iPhone in Amerika entwickelt wurde, ist für Kouvaris übrigens kein Zufall. „Nutzerfreundlichkeit genießt in den USA schon lange eine extrem hohe Priorität“, sagt die UIG-Sprecherin. In Europa spiele die Nutzerfreundlichkeit laut mehreren Studien eine weniger wichtige Rolle, auch in Deutschland genießt das Thema in vielen Unternehmen noch nicht den Stellenwert, der ihm zustünde. Das will der UIG mit dem Siegel und der dazu gehörenden Qualitätsoffensive ändern. In Karlsruhe gibt es mit der CAS Software AG und dem Produkt smartwe auch schon den ersten Siegelträger.

Nutzerzentrierte Produkte verkaufen sich besser

Nutzerzentrierung ist eines der fundamentalen Grundsätze für eine hohe Usability und eine positive User Experience. Produkte und Prozesse werden vollständig auf den tatsächlichen Nutzenden ausgerichtet – er steht im Mittelpunkt sämtlicher Überlegungen. „Dies bringt zahlreiche potenzielle Vorteile mit sich. Angefangen bei der Steigerung der Kundenzufriedenheit, Qualitätssteigerungen, sowie eine bessere Kosteneffizienz – und dies alles, weil das Produktteam von Anfang an Empathie für den Nutzenden aufbaut und ihn bereits in der Discoveryphase des Produktes mit einbezieht“, sagt sie. Außerdem sei die nutzerzentrierte Entwicklung eine zeitgemäße Herangehensweise und deshalb auch ein wichtiges Instrument bei der Suche nach neuen Fachkräften, die vermehrt nach Unternehmen Ausschau halten, die sich mit dem Thema Nutzerzentrierung auch nach außen sichtbar exponieren.
Mit dem Siegel hat der UIG vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) im Blick. UIG ist Partner im Mittelstand-Digital Zentrum Fokus Mensch. Das hat sich die Unterstützung des Mittelstands beim Weg auf eine menschzentrierte Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben.