Karlsruhe.App: Eine Stadt macht eine App – blickt mit uns hinter die Kulissen

Grafik zur Karlsruhe.App 2023. Es wird noch viel passieren.

Wenn ein Unternehmen eine App auf den Weg bringt, ist das nichts Besonderes. Für eine Stadt dagegen wird  hier an vielen Stellen Neuland betreten. Was das heißt? Eine Menge spezifischer Herausforderungen – und ganz besondere Chancen.

Ende 2021 ging die Karlsruhe.App an den Start. Seither ist viel passiert. Infokanäle („Channels“), ein Marktplatz und ein digitaler Veranstaltungskalender („Events“) bieten den Bürger*innen eine stetig wachsende Anzahl von Angeboten, Services und Funktionen, die sich individuell zusammenstellen lassen.

Doch was bedeutet es eigentlich, wenn eine Stadt eine App macht? Die meisten Apps werden schließlich von Unternehmen entwickelt. Dort kann ein CEO einfach sein „Go!“ geben – und los gehts. Eine Kommune dagegen muss jede Menge Hürden überwinden, die Unternehmen gar nicht kennen: verwaltungsrechtliche, verwaltungstechnische und – der Souverän ist hier ja nicht ein CEO, sondern die Bürger*innen – auch politische.

 Zugegeben, auch viele andere Städte haben in den letzten Jahren Apps auf den Weg gebracht. In der Regel handelt es sich dabei um Dienste eines bestimmten Bereiches – etwa der städtischen Verkehrsbetriebe. Die Karlsruhe.App ist jedoch deutschlandweit die erste, die übergreifend zahlreiche städtische digitale Angebote bündelt. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Dienste der Kommune: Erstmals steht eine Stadt-App auch privatwirtschaftlichen Anbieter, Vereinen, Verbänden und anderen Körperschaften offen.

Eine weitere Besonderheit: Viele städtische Apps werden in Wahrheit von Unternehmen betrieben – etwa von Stadtwerken, eigens gegründeten GmbHs oder sogar bekannten Telekommunikationskonzernen. Karlsruhe dagegen betreibt die App selbst. Lediglich die technische Entwicklung liegt in den Händen ihres Technologiepartners CAS Software AG. Diese Entscheidung hat einen guten Grund, denn die Stadt will über die App künftig auch den Zugang zu „hoheitlichen“ Diensten ermöglichen, wie beispielsweise Pass- und Meldewesen. Dabei geht es um sensible Bürger*innendaten – und die gehören nicht in fremde Hände.

 „Ja und … wo liegt das Problem?“, fragen wir Laien uns – und zucken mit den Schultern. Für eine Stadt dagegen bedeuten diese Dinge in vieler Hinsicht absolutes Neuland.

karlsruhe.app
Die Karlsruhe.App – eine Anwendung viele Hindernisse und noch mehr Möglichkeiten. Foto: Netzoptimisten.

Pionierarbeit mit Hindernissen

So bestand beispielsweise eines der Projektziele darin, auch Vereinen, Verbänden, der lokalen Wirtschaft und IT-Start-ups eine digitale Plattform zu bieten. Doch auf welcher Grundlage lässt sich die Zusammenarbeit mit diesen nicht städtischen Akteuren gestalten? Wie die Entgelte regeln? Schließlich darf eine Stadt nicht gewinnbringend arbeiten.

Die Lösung hierfür bestand in der Gründung einer „virtuellen öffentlichen Einrichtung“. Für die beteiligten Verwaltungsfachleute und Jurist*innen bedeutete das Pionierarbeit. Denn so etwas gab es bislang in Deutschland nicht.

Auch die Entscheidungsfindung funktioniert in einer Stadt ganz anders als in einem Unternehmen. Bestimmte Änderungen etwa – z. B. zu Anbieterverträgen oder zu kostenfreien Vertragslaufzeiten – können nicht einfach so freigegeben werden. Sie müssen im Gemeinderat eine Mehrheit finden. Und dieser tagt in einem festgelegten Turnus und eben nicht nach Bedarf.

Eine weitere Herausforderung stellen die finanziellen Spielräume einer Kommune dar. Anfangs wurde die Entwicklung der App durch das Land Baden-Württemberg gefördert. Doch seit dem Go-live muss sie mit sehr begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen auskommen. Im Klartext heißt das: Für sämtliche Management-, Organisations-, Kommunikations-, Koordinations- und Abstimmungsaufgaben ist eine einzige Planstelle zuständig.

Viele spezifische Hürden also – und darunter auch einige, die sich bisher noch nicht überwinden ließen. Als wichtiger Mehrwert der Karlsruhe.App war etwa die sogenannte Single-Sign-on-Funktion geplant: Eine einmalige Registrierung sollte genügen, um sämtliche städtische Dienste innerhalb der App nutzen zu können. Vonseiten der App wäre das absolut machbar. Doch Baden-Württemberg gab bislang seinen Segen nicht.  Denn auch hier gilt: Safety first! Wenn es um die Daten von Bürger*innen geht, muss Single-Sign-on so lange warten, bis die technischen Fragen auch auf Landesebene zweifelsfrei geklärt wurden.

Beispiele wie diese lassen erahnen, dass ein städtisches App-Projekt nicht so einfach mit einem privatwirtschaftlichen zu vergleichen ist. Doch es gibt hier nicht nur besondere Herausforderungen – eine App der Stadt bietet auch besondere Chancen. Stichwort: Partizipation, also die Teilhabe der Nutzer*innen.

Nutzer*innen gestalten

So wurden die Karlsruher*innen bereits während der Entwicklung miteinbezogen. Schon 2018, zu Beginn des Förderprojektes, wurde ein Bürger*innen-Workshop veranstaltet, um die Zielgruppen der finalen App festzulegen. An diesen Zielgruppen orientierte sich die inhaltliche Konzeption der App von Anfang an. 2019 sollte dann eine Bürger*innenumfrage näheren Aufschluss über deren Wünsche an die Karlsruhe.App geben. Das Ergebnis: Mobilität, Bürger*innendienste und lokale Vernetzung spielten für die Befragten eine besonders wichtige Rolle – und wurden in der Entwicklung entsprechend gewichtet.

Darstellung der Karlsruhe.App
Die Karlsruhe.App wird stetig anhand des Feedbacks ihrer Nutzer*innen weiterentwickelt. Abbildung: Stadt Karlsruhe.

Darüber hinaus konnten Bürger*innen den ersten Prototypen des Förderprojektes 2021 im Rahmen eines begleiteten Usability-Tests ausprobieren. Dieser Test lieferte wertvolle Informationen zum Aufbau und zur Nutzungsstruktur der App.

Als die App dann Ende 2021 an den Start ging, war sie bewusst als „Minimal Viable Product“ angelegt. Das heißt: Eine Reihe von Basisfunktionen waren bereits verfügbar. Das Ziel in dieser Phase war jedoch vor allem, möglichst schnell aus dem Feedback der Nutzer*innen zu lernen. Denn die App sollte nicht an den Menschen vorbei entwickelt werden.

Zu diesem Zweck wurde eine Feedback-Funktion prominent auf der Startseite der App platziert. Und diese wurde (und wird) rege genutzt. Bereits im ersten Jahr kamen 16 neue Apps („Add-ins“), 21 neue Infokanäle („Channels“) und zahlreiche neue Funktionen hinzu. Vieles davon geschah auf Anregung der Nutzer*innen. Die vielleicht wichtigste Neuerung war die Einführung eines komplett neuen Bereiches: Im April ging der digitale Veranstaltungskalender („Events“) online. Er war ein Wunsch der Bürger*innen.

Demokratische Teilhabe geschieht jedoch auch auf inhaltlicher Ebene: In den städtischen Channels und Add-ins, aber auch in den neuen Stadtteil-Channels können sich die Karlsruher*innen schnell, aktuell und transparent über Entscheidungsprozesse und kommunale Aktivitäten informieren. Auch zahlreiche Vereine und Verbände finden hier eine Plattform, um ihre Positionen darzulegen. Selbstverständlich ist die App dabei offen für kritische oder kontroverse Standpunkte. Ein Beispiel dafür: der Channel des Klimabündnisses Karlsruhe.

Fazit: Es wird noch viel geschehen

Eine App, die sich laufend weiterentwickelt, Nutzer*innen, die diese Entwicklung maßgeblich mitgestalten … Was bedeutet das für die nähere Zukunft? Aktuell etwa wurde das Design des Marktplatzes und des Eventbereiches überarbeitet. Neue Channels kommen hinzu, z. B. „KA.nachhaltig“ oder „Kultur in Karlsruhe“. Und die Bürger*innendienste (eServices) erhalten eine eigene Landingpage. Ebenso befindet sich eine interaktive Karte mit Sportangeboten und ein Wetter-Widget bereits in der Pipeline. Die Entwicklungsdynamik des ersten Jahres setzt sich 2023 nahtlos fort.

Eine Stadt macht eine App: Es bleibt spannend, diese ungewöhnliche – und auch mutige – digitale Geschichte weiterzuverfolgen.