Digitalisierung: Künstliche Intelligenz hilft beim Materialdesign

Jun.-Prof. Dr. Pascal Friederich

Pascal Friederich, Tenure-Track-Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), hat in diesem Jahr den renommierten Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gewonnen. Wir haben mit ihm über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Materialsimulation und virtuelles Materialdesign gesprochen.

Lieber Herr Friederich, bevor wir gleich mit den Fragen zu Ihrer Forschung starten, erzählen Sie unseren Leser*innen doch ein paar Worte über sich.

Vielen Dank für die Einladung zum Interview. Ich bin derzeit Juniorprofessor an der Fakultät für Informatik am Karlsruher Institut für Technologie. Dort arbeite ich seit 2020 an Methoden der Künstlichen Intelligenz und deren Einsatz in den Materialwissenschaften. Ich habe bereits am KIT in Physik promoviert und war dann mehrere Jahre im Ausland, unter anderem an der Harvard Universität in den USA und an der Universität von Toronto in Kanada. Dort konnte ich dank eines Marie-Curie Stipendiums der Europäischen Union mit weltweit führenden Expert*innen auf meinem Forschungsgebiet arbeiten, bevor ich wieder nach Karlsruhe zurückkam.

Sie forschen im Bereich der Materialwissenschaften – und setzen dabei auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) beziehungsweise Machine Learning. Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?

Hier kommen zwei Dinge zusammen: Zum einen die großen Fortschritte der vergangenen Jahre im Bereich des Maschinellen Lernens – man denke zum Beispiel an Bilderkennung oder Übersetzungen. Zum anderen die Bestrebungen der vergangenen Jahre, wissenschaftliche Daten – sowohl von Experimenten als auch von Materialsimulationen – weltweit offen zugänglich und somit nutzbar zu machen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, um die für Bilder und Sprache entwickelten Machine Learning-Methoden auf die Fragestellungen der Materialwissenschaften anzupassen und aus den Daten zu lernen. So können wir beispielsweise Materialeigenschaften am Computer vorherzusagen – und das schon bevor die Materialien im Labor hergestellt werden.

Jun.-Prof. Dr. Pascal Friederich

Gibt es bestimmte Dinge im Bereich der Materialwissenschaften, die mittels KI überhaupt erst möglich werden?

Stark vereinfacht können viele Herausforderungen in den Materialwissenschaften als Optimierungs- oder Suchprobleme dargestellt werden. Das bedeutet, dass man zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Solarzellen oder Batterien, eine Vielzahl von freien Parametern hat, die es zu optimieren gilt: Die Zusammensetzung einzelner Materialien, die Herstellungsbedingungen, die Kombination verschiedener Materialien, und so weiter. Allein schon die Zahl denkbarer einzelner Materialien ist riesig und zu weiten Teilen noch nicht erforscht. Methoden des Maschinellen Lernens können hier entscheidend dazu beitragen, diese Suche zu beschleunigen, indem Materialien mit den gewünschten Eigenschaften am Computer entworfen und ganz gezielt genau die Experimente vorgeschlagen werden, die für die Optimierung der Materialeigenschaften am informativsten und damit zielführendsten sind.

Sie haben kürzlich den mit 20.000 Euro dotierten Heinz Maier-Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten. In der entsprechenden Pressemeldung vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist dabei von der „steigenden Nachfrage nach leistungsfähigen Materialien“ die Rede. Haben Sie ein paar Beispiele aus dem Alltag für uns?

Jun.-Prof. Dr. Pascal Friederich
Dr. Pascal Friederich forscht auf dem Gebiet des virtuellen Materialdesigns am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Materialien und auch neue Moleküle sowie molekulare Materialien werden für viele drängende Herausforderungen benötigt. Dies reicht von den bereits genannten Beispielen wie Solarzellen und Batterien für die Umwandlung und Speicherung von Energie, über die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Medikamente, bis hin zur Entwicklung neuer funktionaler Materialien für Quantencomputer. 

Meine Forschung fokussiert sich hier auf die Entwicklung breit einsetzbarer Methoden zur Erforschung neuer Materialien, die dann hoffentlich für eine Vielzahl verschiedener Materialklassen erfolgreich eingesetzt werden können.

Was macht das Karlsruher Forschungsumfeld für Sie aus und wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Institutionen?

Karlsruhe und insbesondere das KIT bieten vielfältige Möglichkeiten, von denen ich sicher noch nicht alle ausgeschöpft habe. Das KIT hat nicht nur in der deutschen Forschungslandschaft sondern auch international einen hervorragenden Ruf, was sich auch in der Internationalität der Bewerber*innen und dann auch meiner Forschungsgruppe widerspiegelt. Die Studierenden sind hochmotiviert und sehr interessiert an aktueller Forschung, vor allem an interdisziplinären Themen. 

Das KIT ist nicht nur eine Universität, sondern auch ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Darüber hinaus gibt es in Raum Karlsruhe viele forschungsstarke Unternehmen. Das ermöglicht uns eine große Bandbreite wissenschaftlicher Kooperationen, sodass wir unsere Methoden direkt in die Anwendung bringen können.

Foto: KIT, Amadeus Bramsiepe