Karlsruher Projekt Aam Digital unterstützt Soziale Arbeit in Indien

Aam Digital

Titelbild: Aam Digital, EWB Karlsruhe

Eine einfach zu bedienende App soll Fachkräfte für soziale Arbeit in der westindischen Stadt Kalkutta bei der Integration von ehemaligen Kinderarbeiterinnen und Kinderarbeitern in den Schulalltag unterstützen. Entwickelt wird die Browser-basierte Web-Anwendung von Studierenden des Karlsruher Hochschulprojekts Aam Digital. Das Digitalisierungsprojekt ist Teil der international agierenden Hochschulgruppe „Engineers Without Borders“ (EWB).

„Die Mitglieder dieser Gruppe kommen auf der ganzen Welt herum. Aber mit der Fokussierung auf ein digitales Thema sind wir intern fast schon die Exoten“, sagt Aam-Projektsprecher Sebastian Leidig.

„Bei sozialen Projekte fehlt oft die digitale Unterstützung“

Während sich die meisten EWB-Gruppen um den Aufbau von Infrastrukturen in Entwicklungsländern kümmern und dabei dezentrale Kraftwerke oder Schulen bauen, arbeiten die Studierenden von Aam an der Entwicklung einer Web-App zur besseren Dokumentation von Sozialprojekten. Aam bedeutet auf Hindi „öffentlich“, und deshalb setzen die Entwicklerinnen und Entwickler auch auf offen zugängliche Open-Source-Lösungen.

„Gerade bei sozialen Projekten fehlt es oft an digitaler Unterstützung“, sagt Leidig. Wenn sämtliche Berichte noch per Hand geschrieben und zur Auswertung in Excel-Dateien kopiert werden, gingen allerdings viel Arbeitszeit und wichtige Daten verloren.

App wird bei indischer NGO auf Alltagstauglichkeit getestet

Die Idee zu einem derartigen Projekt kam Leidig bereits vor einigen Jahren bei der Arbeit für die indische NGO H.E.L.G.O.. Bei dieser Hilfsorganisation kümmern sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gemeinsam mit Lehrkräften und den Behörden um Bildung und Ausbildung von ehemaligen Kinderarbeiterinnen und Kinderarbeitern aus sozial schwachen Familien.

„Ich habe schon früh gemerkt, wie viel Schwierigkeiten die Leute mit der Übermittlung der Daten hatten“, erinnert sich Leidig. „Aber ein Programm zur Erleichterung der Arbeit haben wir trotz intensiver Suche nicht gefunden.“

Als er in Karlsruhe sein Informatikstudium begann, schloss sich Leidig der EWB-Gruppe an und hob im Jahr 2015 das Projekt Aam aus der Taufe. Seit 2018 wird die App von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von H.E.L.G.O. auf ihre Alltagstauglichkeit getestet.

„Durch die App können die Sozialarbeiter ihre Einschätzungen in Echtzeit übermitteln“, beschreibt Leidig eine der Eigenschaften des Programms. Die Vorteile der direkten Daten-Übermittlung liegen für Leidig bei diesem Projekt auf der Hand. Wenn Lehrkräfte bereits am frühen Vormittag die Abwesenheit einer Schülerin oder eines Schülers über die App melden, können sich die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter noch am selben Tag nach dem Befinden ihres Schützlings erkundigen. „Früher hat es bis zur Nachverfolgung meist mehrere Tage oder sogar Wochen gedauert“, weiß Leidig. Wird ein Kind vermisst oder wieder zur Arbeit geschickt, können die Leute von H.E.L.G.O die Behörden bereits kurz nach dem Verschwinden kontaktierten.

Aam Digital wird derzeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der indischen NGO H.E.L.G.O. in der Praxis getestet. Bild: Aam Digital, EWB Karlsruhe
Aam Digital wird derzeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der indischen NGO H.E.L.G.O. in der Praxis getestet. I Foto: Aam Digital, EWB Karlsruhe

Mögliche Unternehmensgründung wird diskutiert

Mit dem bisherigen Projektverlauf ist Leidig überaus zufrieden. Die App werde in Indien rege genutzt und von den Aam-Mitstreitern kontinuierlich weiterentwickelt. Oberstes Gebot bei der Entwicklung ist dabei eine intuitive Handhabung.

„Wenn es zu kompliziert wird oder man eine aufwändige Schulung braucht, wird eine solche App nicht genutzt“, lautet Leidigs Fazit. Künftig soll das Projekt auch bei anderen sozialen Organisationen auf seine Praxistauglichkeit getestet werden. Und mittlerweile befassen sich Leidig und seine Mitstreiter mit der Möglichkeit einer Unternehmensgründung.

Einfach werde der wirtschaftliche Betrieb eines Unternehmens zur Entwicklung von Apps für Sozialprojekte allerding nicht, betont Leidig. „Zum einen haben solche Organisationen kaum Geld für die Digitalisierung. Zum anderen sind die datenschutzrechtlichen Hürden bei der Weitergabe von sensiblen Persönlichkeitsdaten sehr hoch.“