Ohne Frauen keine Digitalisierung: MINT-Förderung in Karlsruhe

Ohne Frauen, keine Digitalisierung. Das sieht laut einer Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e.V. auch die Digitalbranche so: 68 Prozent der Unternehmen sagen, dass die Branche ihr Fachkräfteproblem ohne Frauen langfristig nicht lösen wird. Den 8. März, den Internationalen Frauentag, nehmen wir zum Anlass bestehende Herausforderungen zu benennen und Lösungen aufzuzeigen.
Während derzeit Errungenschaften in Sachen Gleichstellung wieder in Frage gestellt werden, zeigt sich gerade in Technologie und Wissenschaft: Vielfalt ist nicht nur ein gesellschaftlicher Wert, sondern ein Innovationsmotor. Wer exzellente Forschung und technologische Spitzenleistung will, kann auf weibliche Talente nicht verzichten.
Karlsruhe als Wissenschafts- und Technologiestandort bietet eine breite Palette an Initiativen, Programmen und Fördermaßnahmen, um Frauen gezielt im MINT-Bereich zu stärken – von der frühen Schulausbildung bis zur Karriereentwicklung. Hier stellen wir die wichtigsten Programme vor, die Frauen gezielt fördern.
IT- und Digitalberufe: Frauen weiter unterrepräsentiert
Die IT-Branche wächst und prägt die digitale Zukunft – doch Frauen sind in diesem Bereich nach wie vor unterrepräsentiert. Aktuell liegt der Frauenanteil in der IT-Branche insgesamt bei 30 Prozent, wie eine aktuelle Analyse auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts, der Bundesnetzagentur und der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2024 zeigt. Schaut man jedoch genauer hin, wird deutlich, dass Frauen insbesondere in technischen Kernberufen selten vertreten sind.
So sind lediglich 18 Prozent der IT-Fachkräfte Frauen. Auch der Nachwuchs in der Informatik zeigt ein ähnliches Bild: Im Informatikstudium beträgt der Frauenanteil nur 21 Prozent. Deutlich mehr Frauen interessieren sich für interdisziplinäre Studiengänge mit Informatikanteil – etwa die Medizininformatik mit 44 Prozent oder die Bioinformatik mit 37 Prozent.
Besonders gering fällt der Frauenanteil in IT-Ausbildungsberufen aus: Nur 12 Prozent der Auszubildenden in diesem Bereich sind weiblich. Diese Zahlen machen deutlich, dass es noch viele Herausforderungen gibt, um mehr Frauen für die IT-Branche zu gewinnen.
Frauen in der IT: Noch viel Luft nach oben
Laut einer aktuellen Bitkom-Studie sehen 64 Prozent der befragten Unternehmen in der Unterrepräsentation ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Im internationalen Vergleich sehen sich 59 Prozent als Nachzügler, 23 Prozent halten den Anschluss sogar für verloren.
Noch geringer ist der Frauenanteil zudem in den spezifischen IT-Berufsfeldern: In 94 Prozent der Unternehmen sind Frauen in diesen Bereichen die Minderheit, in keinem dominieren sie. Trotz dessen haben nur 37 Prozent der Unternehmen Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils formuliert, davon lediglich 5 Prozent mit konkretem Zeitplan. Fehlende Bewerberinnen und andere Prioritäten sind häufige Gründe für mangelnde Maßnahmen.


60 Prozent der Unternehmen setzen gezielte Recruiting-Maßnahmen ein, darunter Kooperationen mit Hochschulen (24 Prozent) oder spezielle Einstiegsprogramme (19 Prozent). Gleichzeitig nennen Unternehmen Hürden wie fehlende Weiterbildungen während der Elternzeit (59 Prozent), traditionelle Rollenbilder (53 Prozent) und eine männlich geprägte Unternehmenskultur (50 Prozent). 39 Prozent vertreten sogar die Ansicht, Männer seien grundsätzlich besser für IT-Berufe geeignet. „Wer solche Stereotypen pflegt, darf sich über Fachkräftemangel nicht wundern“, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
Aber auch Politik und Gesellschaft spielen eine Rolle: 55 Prozent der Unternehmen sehen Defizite in der Betreuungsinfrastruktur, 52 Prozent kritisieren fehlende Unterstützung für Quereinsteigerinnen, 46 Prozent eine klischeebehaftete Berufsorientierung. Die Initiative #SheTransformsIT fordert daher verpflichtenden Informatik-Unterricht, mehr Praxisnähe und den Ausbau der Kinderbetreuung.
Zwar erkennen 88 Prozent der Unternehmen den Mehrwert gemischter Teams, doch die Umsetzung bleibt oft unkonkret. 52 Prozent haben Frauenförderungsziele, aber 39 Prozent benennen keine Verantwortlichen. 36 Prozent sehen Frauenförderung als Lippenbekenntnis. „Wer Gleichstellung als kurzfristigen Trend betrachtet, schadet der Wettbewerbsfähigkeit“, so Rohleder. Die Studie zeigt: Ohne mehr Frauen in IT-Berufen bleibt Deutschland wirtschaftlich zurück.
Frühe Förderung und nachhaltige Unterstützung
Bereits in der Schulzeit entscheidet sich oft schon, ob junge Frauen einen technischen oder naturwissenschaftlichen Weg einschlagen. Untersuchungen zeigen, dass sich Mädchen anfangs genauso für Informatik interessieren wie Jungen. Doch das Interesse der Mädchen nimmt mit dem Alter ab. Was diese Entwicklung verursacht, haben Professor Ingo Wagner vom Institut für Schulpädagogik und Didaktik des KIT und sein Team untersucht. Dafür haben sie Erkenntnisse aus rund 800 Studien zu Informatik und Bildung zusammengetragen. „Es gibt gesellschaftliche Faktoren wie einengende Erwartungshaltung oder männlich geprägte Bildungsangebote. Das sind für mich die Ursachen, weswegen sich Mädchen weniger für Informatik interessieren“, so Wagner im Podcast „Campus & Karriere“ von Deutschlandfunk.
Verschiedene Programme und Initiativen in Karlsruhe setzen gezielt an dieser Schwelle an, um möglichst viele Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern und das Interesse aufrecht zu erhalten. Aber auch für Frauen, die sich bereits für ein MINT-Studium entschieden haben, gibt es gezielte Unterstützungsangebote.
- Girls‘ Day Karlsruhe: Ein bundesweiter Aktionstag, an dem Karlsruher Hochschulen und Unternehmen Schülerinnen Einblicke in MINT-Berufe bieten: Karlsruher Termine sind auf der Website des Girls‘ Day zu finden.
- she.codes: Diese Initiative von Studentinnen des KIT und der TU München bietet kostenlose Programmierworkshops für Mädchen und fördert ein nachhaltiges Interesse an Informatik.
- Technika: Mit dem Transferprojekt des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg „Girls´ Digital Camps“ werden Schülerinnen auf dem Weg in die digitale Welt begleiten und sie für alle damit verbundenen Themen und zukunftsweisenden Berufe begeistern sollen.
- MINT-Kolleg Baden-Württemberg (Verbundeinrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Stuttgart.): Unterstützt Studienanfängerinnen durch Vorkurse, Tutorien und Workshops für einen erfolgreichen Einstieg in MINT-Studiengänge.
- Diversity-Dashboard am KIT: Das KIT erfasst strukturiert die Entwicklung der Frauenanteile in Studiengängen und nutzt diese Daten für gezielte Fördermaßnahmen.
- karlsruhe.digital – #DigiWomenKA: Diese Plattform stellt herausragende Frauen aus der Karlsruher Digitalbranche vor. Inspirierende Role Models wie Prof. Dr.-Ing. Jivka Ovtcharova (KIT), Dr.-Ing. Katharina Glock (FZI) oder Unternehmerinnen wie Kerstin Stier (engomo) zeigen, wie vielfältig Frauen die digitale Zukunft mitgestalten.
- Duale Hochschule Karlsruhe (DHBW): Eine wirksame Maßnahme, um mehr Frauen für ein Studium in der Informatik zu gewinnen, ist eine erhöhte Praxisnähe, mehr Interdisziplinarität und eine klare Kommunikation über die Breite des Tätigkeitsspektrums von IT-Berufen. Die dualen Studiengänge der DHBW Karlsruhe schaffen zudem nicht nur Praxisnähe sondern auch finanzielle Sicherheit bereits während des Studiums, was Frauen mit Pflegeverantwortung die Aufnahme eines Studiums erleichtern kann.