DHBW Karlsruhe: Kunststofflabor nutzt die Chancen der Digitalisierung für Nachhaltigkeit

Kunststofflabor DHBW Karlsruhe

Seit dem Wintersemester 2021/2022 steht den Studierenden an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Karlsruhe das neu eingerichtete Kunststofflabor zur Verfügung. Wir haben mit Professor Dr.-Ing. Axel Kauffmann, der das Labor gemeinsam mit Professor Dr. Dirk Eidam betreut, über nachhaltige Wege in der Kunststoffverarbeitung und die Bedeutung der Digitalisierung gesprochen.

Lieber Herr Kauffmann, bevor wir uns gleich dem neuen Kunststofflabor der DHWB Karlsruhe widmen, erzählen Sie uns doch zunächst ein paar Worte über sich.

Ich habe ursprünglich mal Maschinenbau mit den Schwerpunkten Energiesysteme und Werkstoffkunde studiert und war danach viele Jahr in der angewandten Forschung für Kunststoffverarbeitung tätig. 

Vor zehn Jahren bin ich dann an die DHBW gekommen, an der ich letztendlich zwei Tätigkeitsfelder habe: Einerseits die Leitung des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen zusammen mit meinem Kollegen Prof. Dr. Eidam. Andererseits die Forschung. Inzwischen haben wir eine Forschungsgruppe aufgebaut, die sich mit Werkstoff- sowie der Verfahrens- und Produktentwicklung im Kunststoffbereich beschäftigt. 

Das Konzept des Kunststofflabors haben Sie im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen gemeinsam mit Professor Dr. Dirk Eidam entwickelt. Wie kam es dazu und inwiefern profitieren die Studierenden davon?

Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder festgestellt, dass Kunststoffe zunehmend an Bedeutung gewinnen und die Nachfrage in vielen Branchen wächst. Das betrifft weniger die klassischen Kunststoffe, sondern vielmehr die nachhaltigen Werkstoffe, wie etwa Recyclate oder zunehmend auch alternative Bio-Werkstoffe.

Also haben wir das Kunststofflabor eingerichtet, das wir in unterschiedlichen Bereichen einsetzen. Bezogen auf die Studierenden sind das natürlich vor allem Studienarbeiten, Vorlesungen oder Labortage. Dabei wird das Labor studiengangübergreifend genutzt, also neben dem Wirtschaftsingenieurwesen auch vom Maschinenbau, der Papiertechnik sowie der Mechatronik.  

Im Kern geht es darum, mehr Praxis ins Studium zu bringen. In Studienprojekten bekommen die Studierenden im Kunststofflabor die Möglichkeit, selbst Prototypen zu bauen und die Verfahren kennenzulernen. Wir haben da mehrere Möglichkeiten: Zum einen gehen wir in die Materialentwicklung und Materialprüfung. Zum anderen ist der 3D-Druck ein großes Thema, mit dem Modelle und Prototypen gedruckt werden können. Darüber hinaus lernen die Studierenden hier auch unterschiedliche Verarbeitungstechniken kennen, wie Thermoformen oder Spritzgießen. Letztendlich versuchen wir im Kunststofflabor die gesamte Bandbreite abzudecken.

Neben der Lehre kommt das Kunststofflabor natürlich auch in der Forschung zum Einsatz. Es gibt zahlreiche Verbundprojekte, welche wir hier zusammen mit Firmen und anderen Forschungseinrichtungen bearbeiten. Zudem haben Firmen auch die Möglichkeit direkt mit uns zusammenzuarbeiten, etwa bei der Materialentwicklung oder einem Prüfauftrag. 

Das Schöne an diesen Kooperationen zwischen Forschung und Wirtschaft ist, dass stets alle Partner etwas voneinander lernen können – und wir vieles davon auch in die Lehre einbringen. So profitiert jeder davon.

Kunststofflabor DHBW Karlsruhe 3

Mit Blick auf die Umwelt ist die geringe Nutzungsdauer eine der größten Herausforderungen bei Kunststoffen. Aber neuartige, umweltfreundliche Technologien allein reichen noch nicht aus, denn am Ende müssen diese für die Unternehmen auch profitabel sein. Welchen Beitrag kann das Kunststofflabor diesbezüglich leisten?

Grundsätzlich arbeiten wir im Kunststofflabor mit nachhaltigen Werkstoffen. Im Prinzip haben wir zwei Schwerpunkte: Das eine ist die Verarbeitung und Charakterisierung von Recyclaten. In Netzwerkseminaren werden beispielsweise Kunststoffe aus dem Gelben Sack aufbereitet, mit dem Ziel, diese wieder in eine gute Qualität zu überführen und in neuen Produkten zu verwenden. Das andere ist die Entwicklung von Ersatzmaterialien für klassische Kunststoffe. Wir haben einige Projekte, bei denen es darum geht, Biopolymere zu entwickeln und einzusetzen, die aus nachwachsenden Rohstoffen auf Pflanzenbasis bestehen. Derzeit läuft auch ein Projekt bei dem Papierwerkstoffe mit Kunststoffverarbeitungsanlagen verarbeitet werden.

Klassische Kunststoffe, wie man Sie von Joghurtbechern oder Plastiktüten kennt, betrachten wir nur am Rande. Unser Fokus liegt in erster Linie auf nachhaltigen Kunststoffen, weshalb unser Labor an der DHBW auch sehr zukunftsorientiert aufgestellt ist.

An der DHBW setzen Sie auf neue Lehrformate, die sich die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze machen. Warum ist das wichtig und wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?

Wir haben ein neues Modul, das nennt sich „Digitalisierungsstrategien“. In diesem bringen wir den Studierenden die Möglichkeiten und den Nutzen der Vernetzung technischer Prozesse bei. Wir widmen uns aber auch ganz konkret den betriebswirtschaftlichen Aspekten. Sprich welche Vorteile bietet die Digitalisierung bereits in der Entwicklung beziehungsweise später dann in der Vermarktung bestimmter Produkte.

Studierende entwickeln hierbei aus eigenen Produktideen einen Business Case. Der Bereich steht ihnen völlig frei: Es kann etwas Technisches sein, etwa Ersatzteile, aber auch die Entwicklung einer App. Die Bearbeitung der Geschäftsideen erfolgt in Kleingruppen. Das nötige Handwerkszeug vermitteln wir den Studierenden zusammen mit Expert*innen aus der Wirtschaft, in Vorträgen, Workshops und Laborübungen. 

Wichtig ist uns bei diesem Modul, dass die Studierenden sich Gedanken darüber machen, wie man die Möglichkeiten der Digitalisierung sinnvoll nutzen kann, um die Geschäftsideen zu verwirklichen – sei es nun durch die Vernetzung bestimmter Prozesse in der Herstellung oder später dann im Verkauf beziehungsweise Marketing.

Das Kunststofflabor nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, da wir über die dort vorhandenen 3D-Drucker die ganzen Ideen umsetzen können und der Einsatz der Digitalisierung auch Rückschlüsse auf die Qualität und Erkenntnisse für eine nachhaltige Produktion einzelner Bauteile zulässt.

Welche Bedeutung hat der Standort Karlsruhe für Ihre Forschung?

Dr.-Ing. Axel Kauffmann betreut das Kunststofflabor an der DHBW Karlsruhe.

Aus meiner Sicht hat Karlsruhe einen großen Standortvorteil, weil hier viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen vertreten sind. Wir haben hier die DHBW, die Hochschule, das KIT, sowie verschiedene Fraunhofer Institute. Mit denen arbeiten wir natürlich auch zusammen: Neben Lehrprojekten sind es vor allem klassische Verbundprojekte, die wir gemeinsam mit dem KIT, den Fraunhofer Instituten und Unternehmen aus der Region Karlsruhe durchführen. Aktuell haben wir aber auch zwei Promotionen laufen, die wir gemeinsam mit dem KIT betreuen.

Dieses Miteinander von Forschung und Lehre ist meiner Meinung nach enorm wichtig. Mein Kollege Professor Dr. Eidam beschäftigt sich mehr mit der Forschung und Lehre mit Studierenden, während mein Schwerpunkt auf der Verbundforschung gemeinsam mit der Industrie liegt. Beides ist eng miteinander verknüpft. Die Forschung profitiert von der Lehre – und umgekehrt. Die Studierenden haben indes den Vorteil, dass sie im Rahmen von Studien- oder Laborarbeiten in alles integriert und mit der Industrie vernetzt werden.

Fotos: DHBW KA//Foto Fabry