Frauen in IT-Berufen: Karlsruher Initiativen fördern von der Grundschule bis zum Studium

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Wieso studieren so wenige Frauen Informatik? Projekte, wie die Video-Reihe WIT // Women in IT am KIT, zeigen wie sich das ändern lässt.

Nach dem Abitur wussten Vera Chekan und Laura Merker, wie viele andere Abiturient*innen, erst einmal nicht, was sie studieren wollten. Die Wahl fiel bei beiden auf ein Studium an der Fakultät für Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Ich war immer von der Mathematik begeistert, aber irgendwann verstand ich, dass das sehr theoretisch ist. Ich wollte etwas machen, was eher spezifisch ist. Und so habe ich die Informatik ausgewählt“ berichtet Vera Chekan im Video der Reihe WIT // Women in IT des KIT.

Dass das noch immer eine ungewöhnliche Entscheidung ist, zeigen zahlreiche Statistiken, denn auf die Idee in der IT-Branche zu arbeiten, kommen die wenigsten Abiturientinnen. Die Informatik ist nach wie vor ein männerdominiertes Feld, sowohl im Bereich der Ausbildung als auch daraus resultierend später im Berufsleben. Das hat Folgen: Mehr als jedes zehnte Unternehmen (11 Prozent) der IT-Branche hat keine Frau in der Belegschaft. In 76 Prozent liegt der Frauenanteil bei weniger als 25 Prozent und lediglich in 7 Prozent der Unternehmen liegt er zwischen 26 und 50 Prozent, fand kürzlich eine Studie des Branchenverbandes Bitkom heraus. Auch am KIT sind aktuell nur 12 % der Studierenden weiblich. Studien belegen, dass hartnäckig festsitzende Klischees der Disziplin (der „Nerd-Faktor“) sowie falsche Vorstellungen von Studium und Berufsalltag nachweislich viele Mädchen (und auch Jungs) von einem Studium im Bereich der Informatik abhalten.

Bedarf an Förderung von Mädchen und Frauen wächst

Wie lässt sich das ändern? Politik, Forschungseinrichtungen und Schulen bemühen sich seit Jahren um mehr weiblichen Nachwuchs. Auch die digitale Wirtschaft will Frauen stärker fördern. So haben sich 24 Prozent der von Bitkom befragten Unternehmen Ziele gesteckt, um den Frauenanteil zu erhöhen. „Gemischte Teams sind für den Erfolg von Unternehmen extrem wichtig. Und wir sind auf Frauen angewiesen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und nachhaltiges Wachstum zu sichern. Die Zahlen sind ein Weckruf“, resümiert Sabine Bendiek, Vizepräsidentin des Bitkom, die Studienergebnisse.

Es gibt nationale Initiativen wie den Girl’s Day, ein bundesweites Projekt zur Berufs- und Studienorientierung von Mädchen für Berufe oder Studienfächer, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt. Oder Komm, mach MINT, das für Mathematik, Ingenieur- und Naturwissenschaften wirbt.

Zahlreiche Initiativen, auch in Kalrsruhe

Für Karlsruhe hat der CyberForum e.V. im Rahmen der technika | Karlsruher Technik Initiative das Transferprojekt „Girls´ Digital Camps“ entwickelt, welches seit 2019/2020 erfolgreich umgesetzt wird. Für sein Engagement, Kinder bereits in der Schule nachhaltig für Technik und Informatik zu begeistern, wurde Dirk Fox, Geschäftsführende Vorstand des CyberForum und Mitglied des Steuerkreises von karlsruhe.digital, vergangenes Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Die Camps sollen durch praktische Herangehensweisen, Hemmschwellen senken, den Umgang mit Technik stärken und konkrete Einblicke in digitale Anwendungen und Berufsfelder geben. Regelmäßig stattfindende Unternehmensbesuche zeigen den Schülerinnen, wie vielfältig, kreativ, zukunftsorientiert und gesellschaftlich relevant digitale Anwendungen und IT-Berufe sind.

Girls Digital Camps. Foto: Wolfram Sieber

Mädchen ab der 10. Klassenstufe können an der Hochschule Karlsruhe ihr Technikinteresse in einem Probestudium testen und Campusluft schnuppern. Workshops, Laborbesichtigungen, Schülerinnenvorlesungen aus allen Fakultäten sowie reguläre Vorlesungen aus dem ersten und zweiten Semester in allen Studiengängen geben einen Einblick in das Studium. Informationen zu den Studienmöglichkeiten und zur Bewerbung sowie Gespräche mit Studierenden, die von ihren Erfahrungen berichten, ergänzen das Programm.

Die digitalen LEARNTEC xChange Formate, die von karlsruhe.digital Steuerkreismitglied Prof. Peter A. Henning mitinitiiert wurden, widmen sich ebenfalls in einzelnen Veranstaltungen dem Thema. So zeigt der Online-Workshop „Frauen für Daten- und KI-Berufe mit Corporate E-Learning begeistern“ auf, wie Unternehmen weibliche Talente mithilfe von Reskilling-Initiativen im Bereich Daten & KI gewinnen können und anhand von echten Praxisbeispielen, wie Diversität Daten vorantreiben kann.

Video-Reihe des KIT soll Hürden abbauen und Interesse wecken

Auch das Institut für Informatik am KIT beteiligt sich an bundesweiten Initiativen wie dem Girl’s Day, der in diesem Jahr am 28. April stattfindet, mit einem eigenen Programm. Darüber hinaus geht das Institut noch einen eigenen Weg, um den Frauenanteil des Fachs langfristig zu steigern, Vorurteile abzubauen und ein genaueres Bild von Studium und Beruf zu vermitteln. Mit WIT // Women in IT wurde eine Video-Reihe ins Leben gerufen, in der Frauen in verschiedenen Phasen ihres Studien-, Lebens- und Karrierewegs von ihren ganz eigenen Erfahrungen mit Informatik berichten.

Die Video-Reihe WIT startet baut Vorurteile ab und gibt einen Einblick in Studium und Beruf. Foto: Screenshot youtube.com

In mehreren Videos beschreiben fünf Informatikerinnen ihre Erfahrungen und die Herausforderungen bei einem Informatikstudium. Außer Studentin Vera Chekan und Doktorandin Laura Merker kommen dabei noch die promovierte Informatikerin und Software-Entwicklerin für Medizintechnik Katja Werling, die promovierte Informatikerin Franziska Wegner sowie Professorin Anne Koziolek zu Wort und berichten aus Studium und Berufsleben. „Wir wollen Frauen in der IT sichtbar machen und damit mögliche Vorbilder für eine Karriere in der Informatik zeigen“, nennt Koziolek einen Grund für das Projekt. Außerdem wolle man jungen Frauen die vielen verschiedenen Karrierewege nach einem Informatikstudium aufzeigen.

Gesellschaftliches Umdenken gefordert

Die Gründe für den niedrigen Frauenanteil in der Informatik und anderen sogenannten MINT-Fächern sind nach Anne Kozioleks Einschätzung vielschichtig. Mit dem WIT-Projekt sollten vor allem falsche stereotype Vorstellungen aufgebrochen und das Interesse an der Informatik geweckt werden.

Prof. Dr.-Ing. Anne Koziolek möchte Mädchen und Frauen für Informatik begeistern. Foto: Anne Koziolek

„Mathe-Vorlesungen sind im ersten Semester definitiv am schwierigsten“, sagt etwa Laura Merker. Wichtig sei allerdings die Erkenntnis gewesen, dass es allen so gehe und man in Lerngruppen Unterstützung erhalte. Der Männerüberschuss habe für sie keine Rolle gespielt. „Einige haben gefragt, ob ich mir das wirklich antun will“, so Merker weiter. Aber für sie sei das eher ein Ansporn gewesen.

Am KIT habe man die Schieflage erkannt und mehrere Projekte wie „Mädchen für Informatik begeistern“ zur gezielten Ansprache von Schülerinnen und weiblichen Studierenden aus der Taufe gehoben. Um künftig mehr Frauen für die Informatik zu begeistern, muss laut Koziolek aber auch ein gesellschaftliches Umdenken erfolgen. „Es scheint so, als wenn Informatik als Studienfach von Mädchen oft erst nicht in die engere Auswahl genommen wird“.