Pandemie trifft Klimawandel: Hybride Ausstellung "Critical Zones" im ZKM

Titelbild: © Frédérique Aït-Touati, Alexandra Arènes, Axelle Grégoire I ZKM

Wie fragil das Zusammenspiel zwischen Gesellschaft und Umwelt ist, wurde den Menschen im Frühjahr 2020 im ZKM I Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe gleich in zweifacher Hinsicht vor Augen geführt. Von langer Hand wurde dort die Ausstellung „Critical Zones – Horizonte einer neuen Erdpolitik“ über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde geplant. Wegen der Corona-Pandemie musste die Ausstellung dann innerhalb von wenigen Tagen komplett neu konzipiert werden.

Am 23. Mai fiel mit dem Livestream des Eröffnungsfestivals der Startschuss für die digitale Variante mit zahlreichen Informationen zu den Hintergründen der Ausstellung. Seit dem 24. Juli können die Installationen im Medienmuseum unter Einhaltung der Hygiene-Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie auch persönlich in Augenschein genommen werden.

30.000 Zuschauer*innen bei der virtuellen Eröffnung

Mit der positiven Resonanz auf die Ausstellungs-Eröffnung mit rund 30.000 Zuschauer*innen aus aller Welt war Daria Mille aus dem Kurations-Team mehr als zufrieden. „Mit so vielen Leuten haben wir beim besten Willen nicht gerechnet“, so Mille. Zudem hätten die Interessierten online auch sehr viele Fragen zu den Ausstellungs-inhalten gestellt und sich auf virtuelle Diskussionen eingelassen. „Wir haben das Feedback erhalten, dass man trotz der Bildschirme eine Art Verbundenheitsgefühl erlebte“, so Mille. „Das war auch für uns etwas ganz Neues.“

Dabei stand der Eröffnungstermin der digitalen Schau lange auf der Kippe. Als die Corona-Pandemie im März ausbrach, hatte gerade der Aufbau der ersten Installationen begonnen. „Uns war sofort  klar, dass wir schnelle Entscheidungen treffen und uns neu organisierten müssen“, berichtet Mille. Obwohl das Konzept für die digitale Ausstellung zügig in die Tat umgesetzt wurde, wurden die „Critical Zones“ stetig weiterentwickelt. „Wir befinden uns in einem Experiment, welches eine lokale Ausstellung in ein nicht-lokales Ereignisfeld im realen und virtuellen Raum verwandelt“, sagt Mille.

Territorial Agency, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Elias Siebert

Hybride Formate sind aus Kunstwelt nicht mehr wegzudenken

Bereits jetzt sieht Mille die Corona-Krise auch als Chance für die Kunstwelt.

„Hybride Formate sind aus unserem Programm nicht mehr wegzudenken und bereits heute unsere neue Normalität“, so die Kuratorin.

Die Zuschauerzahlen beim Streaming-Festival zur Eröffnung hätten bei einer rein physischen Eröffnung niemals erreicht werden können. „Durch die digitalen Formate erreichen wir nun auch Menschen, die das ZKM aus verschiedenen Gründen niemals physisch besuchen werden“, betont Mille. Mit seiner großen Erfahrung in der multimedialen Aufbereitung von Kunstformen müsse das ZKM in den kommenden Jahren in dieser Richtung neue Standards setzen. Dass die Ausstellung „Critical Zones“ nicht in eine ungewisse Zukunft verschoben oder in aller Ruhe neu konzipiert wurde, hat laut Mille mit der hohen gesellschaftlichen Relevanz des Themas zu tun. „Die Corona-Pandemie fällt mit der globalen ökologischen Krise zusammen“, sagt Mille. „Das führt uns die vielschichtigen Abhängigkeiten der gegenwärtigen Situation vor Augen.“

Sarah Sze, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Elias Siebert

Kritische Zone zwischen Grundwasser und Baumwipfeln

Die Ausstellung „Critical Zones“ thematisiert den aktuellen Zustand der für das Leben elementaren rund 30 Kilometer dünnen Schicht zwischen Erdoberfläche und Weltall. Zu sehen sind rund 40 große Installationen und knapp 300 Exponate aus Kunstbetrieb und Wissenschaft. Die enge Vernetzung zwischen Kunst und Wissenschaft ist eine der Besonderheiten der Ausstellung. Dadurch sollen Besucher*innen anschaulich auf die direkten Auswirkungen des menschlichen Handelns auf ihre Umwelt hingewiesen werden. Wie der Mensch zum Beobachter des eigenen Handelns werden kann, wird bereits beim Betreten des Lichthofs deutlich. Dort ist ein Modell des Open-Air-Observatoriums Strengbach aufgestellt. In den Vogesen werden seit den 1980er Jahren Daten über den Zustand der „kritischen Zone“ zwischen Baumwipfeln und Grundwasser erhoben und die Auswirkungen der modernen Gesellschaft auf das Klima untersucht.