Demokratie in Zeiten von Desinformation

Diskussionsrunde im TRIANGEL am Marktplatz

Das FZI Forschungszentrum Informatik, eine unabhängige und gemeinnützige Forschungseinrichtung, ist in der Welt der digitalen Innovationen ein echter Vorreiter, wenn es um innovative Informationstechnologie geht. Ein Schwerpunkt der Arbeit: In Karlsruhe und Berlin tüfteln Wissenschaftler*innen an der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien zur Förderung der digitalen Demokratie und Bürger*innenbeteiligung. Das FZI setzt dabei auf modernste Technologien, um Bürger*innen stärker in politische Prozesse einzubinden. Wir haben mit Dr. Jonas Fegert gesprochen, der am FZI das House of Participation (HoP) leitet und Senior Expert für den Themenbereich „Digital Democracy & Participation“ ist.

„Einer unserer Schwerpunkte liegt auf inklusiven digitalen Beteiligungsformaten und wie diese beispielsweise mit immersiven Systemen wie Augmented Reality und Virtual Reality umgesetzt werden können“ erklärt Fegert. Diese Technologien werden genutzt, um komplexe Vorhaben wie Stadtplanungsprojekte greifbarer zu machen. „Wir wollen Plattformen entwickeln, die bessere oder überhaupt erst Bürgerbeteiligung ermöglichen,“ fügt er hinzu. Denn es geht nicht nur darum, dass Menschen mehr beteiligt werden – sie sollen es auch gerne tun.

Zwischen Hightech und Gesellschaftsfragen

Doch das FZI ist mehr als nur ein Technologie-Hub. Die Arbeit am House of Participation geht tief in gesellschaftliche Fragen hinein. Wie verändert Technologie unsere sozialen Strukturen? Welche Effekte haben Plattformen wie X, TikTok oder Instagram auf unsere demokratischen Prozesse? Fegert und sein Team sind nicht nur Beobachter*innen dieser Entwicklung, sie sind aktive Gestalter*innen.

„Wir analysieren nicht nur den Status quo, sondern entwickeln auch Möglichkeiten die Plattform Mechanismen zu verstehen. Auch um konkrete Verbesserungen vorschlagen zu können,“ sagt Fegert. Ein besonders heißes Eisen: Desinformation. In einer zunehmend digitalen Welt verbreiten sich falsche Nachrichten in rasanter Geschwindigkeit und haben das Potenzial, Gesellschaften zu spalten. „Desinformation wird oft als Teil hybrider Kriegsführung eingesetzt,“ erklärt Fegert und verweist auf Konflikte wie den Ukraine-Krieg. Die Manipulation der öffentlichen Meinung sei ein strategisches Mittel, um politische und gesellschaftliche Instabilität zu fördern.

Jonas Fegert spricht vor Publikum
Bei einer Veranstaltung der Effekte-Reihe im August 2024. Foto: FZI

Innovation trifft auf Austausch

Neben der Forschung ist das FZI auch stark in gesellschaftliche Diskussionen eingebunden. „Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, Menschen aus der Zivilgesellschaft, der Politik und der Verwaltung zusammenzubringen,“ erzählt Fegert. Das FZI House of Participation organisiert Roundtables und Podcast-Formate, um Forschung und politische Praxis zu vernetzen.

Besonders stolz ist das FZI auf die wachsende Aufmerksamkeit, die die Arbeit in dem Bereich findet. „Letzte Woche hat uns die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski besucht,“ berichtet Fegert. „Das zeigt, dass unsere Forschung auch auf höchster Ebene wahrgenommen wird.“

Menschen beim Bei einem Round Table des House of Participation in Berlin im September 2023.
Bei einem Round Table des House of Participation in Berlin im September 2023. Foto: FZI

Desinformation – enormes Risiko für die Demokratie

Das Weltwirtschaftsforum berichtet 2024, dass Desinformationen und KI-generierte Fake News und Cyberangriffe als das größte Risiko für Mensch und Gesellschaft eingestuft werden. Sie können demokratische Systeme in Gefahr bringen, zu sozialer Polarisierung, Unruhen und innerstaatlicher Gewalt führen. Das Weltwirtschaftsforum sieht sogar eine globale Katastrophe kommen – innerhalb der nächsten zwei bis zehn Jahre.

In Projekten wie DeFaktS, SOSEC und TWON setzt sich das FZI aktiv für sichere sowie resiliente demokratische Prozesse ein und trägt dazu bei, die negativen Auswirkungen von Falschinformationen zu minimieren. Fegert widmet sich der Frage, wie Plattformen so gestaltet werden können, dass sie nicht zur Verbreitung von Desinformation beitragen. “Wir müssen uns klarmachen, dass es immer willentliche Entscheidungen sind, die dazu beitragen. Und das sind auch Sachen, wo wir von der Politik fordern können, dass Veränderungen durchgesetzt werden und es mehr Transparenz gibt.” Die Geschäftsmodelle sozialer Netzwerke fördern oft extreme Inhalte, da diese die meisten Klicks und Reaktionen generieren – ein Mechanismus, der Polarisierung und gesellschaftliche Spaltung verstärkt.

„Plattformen wie Twitter und Instagram spielen eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Desinformation,“ sagt Fegert. In einem EU-Projekt untersucht das FZI, wie Designänderungen bei diesen Plattformen – etwa das Abo-Modell bei X – die Sichtbarkeit von Inhalten beeinflussen. „Ein solches Modell führt dazu, dass wichtige Kanäle plötzlich nicht mehr sichtbar sind,“ warnt Fegert. Damit verliere X seine ursprüngliche Funktion als Plattform für öffentliche Debatten, die diverse Meinungen abbildet.

Das FZI arbeitet daran, die Funktionsweisen der Plattform-Designs besser zu verstehen, um mit den Forschungsergebnissen der Politik etwas an die Hand zu geben, um das Risiko Desinformation auf Social Media gegebenenfalls einzudämmen. „Es geht darum, diese Mechanismen zu verstehen und bessere Lösungen zu finden,“ betont Fegert. Seine Vision ist klar: „Wir wollen nicht nur forschen, sondern auch die Ergebnisse dieser Forschung mit Politik und Zivilgesellschaft teilen, damit sie dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.“

Eingehendere Infos über die Forschung des FZI gibt es für alle Interessierten im HoPcast, dem “Podcast zu Partizipation und Demokratie im Digitalen Zeitalter” mit Gäst’innen wie Max Czollek oder Luisa Neubauer und vielen Fachexperte*innen.

Leinwand mit Zuschaltung von stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.
Beim Open House des FZI im Februar 2024. Mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann, der Projektleiterin und Journalistin Carolin Lindekamp von CORRECTIV sowie mit Achim Rettinger, Professor für Computerlinguistik, diskutierte Jonas Fegert beim FZI Open House über Desinformation als gesellschaftliche Herausforderungen sowie Lösungsansätze zur Analyse und Bekämpfung. Foto: FZI