#DigitalMindsKA – die Menschen hinter karlsruhe.digital: Marion A. Weissenberger-Eibl
Die Initiative karlsruhe.digital vereint Karlsruher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung mit dem Ziel, Karlsruhe als Motor der Digitalisierung voranzutreiben – für Wettbewerbsfähigkeit, Lebensqualität und Souveränität. Sie bündelt Expertenwissen, fördert Vernetzung und bearbeitet Themen ganzheitlich, um die digitale Zukunft der Stadt aktiv zu gestalten.
Und dahinter stehen Menschen. Menschen, die sich engagieren, für etwas brennen und genau deshalb ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Fachwissen einsetzen. Wer diese Menschen, die digitalen Köpfe, sind, möchten wir sichtbar machen. Einmal im Monat fragen wir die Digital Minds danach, was sie antreibt und welche Visionen sie haben.
Im siebten Teil unserer Reihe besuchen wir Marion A. Weissenberger-Eibl, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe.
Der Morgen in Karlsruhe ist klar und frisch, als wir uns auf den Weg zum Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI machen, um Marion Weissenberger-Eibl zu treffen. Das ISI liegt in der Waldstadt, umgeben von Natur und unzähligen Bäumen – und für einen kurzen Moment rückt die Hektik des Alltags etwas in die Ferne. Der nahegelegene Hardtwald bietet eine malerische Kulisse, die zum Verweilen einlädt. Das Zwitschern der Vögel mischt sich mit dem fernen Lachen von Kindern, die sich im Sportpark austoben und gegenseitig anfeuern. Wir atmen einmal tief durch – und setzen dann unseren Weg fort.
Im Fraunhofer ISI angekommen, begeben wir uns in den zweiten Stock, wo sich das Eckbüro von Marion Weissenberger-Eibl befindet. Im Sekretariat werden wir freundlich von Frau Hoffmann empfangen, der Assistentin der Institutsleiterin. Oder wie sie sie später nennen wird: „die Seele und gleichzeitig der ‚Hub‘ nach Außen und Innen.“
Weissenberger-Eibl erwartet uns bereits, denn wie wir schon bei der Terminfindung im Vorfeld mitbekommen haben: ihre Zeit ist knapp, ihr Terminkalender voll. Also starten wir nach einer kurzen Begrüßung mit der Frage danach, woran sie zuerst denkt, wenn sie „Karlsruhe“ hört, direkt ins Gespräch.
Sie lehnt sie sich mit einem Lächeln zurück und spricht dann über die Stadt spricht, die so eng mit ihrem Herzen und ihrer Arbeit verknüpft ist: „Ich denke zuerst an Ideen und Innovationsgeist“, beginnt sie. „Die Mischung aus Kultur und Tradition einerseits und wissenschaftlicher Neugierde andererseits spürt man regelrecht in den Straßen der Stadt.“ Sie berichtet weiter vom Karlsruher Institut der Technologie (KIT), dem wissenschaftlichen Herz der Stadt, und wie es durch weitere Hochschulen und Forschungseinrichtungen ergänzt wird. „Wir als Fraunhofer ISI und mein Lehrstuhlteam stehen mit den Studierenden im engen Kontakt“, erläutert Weissenberger-Eibl. Der interdisziplinäre und transdisziplinäre Austausch, den sie beschreibt, ist zentral für das Finden wissenschaftlich fundierter, innovativer Ansätze.
Karlsruhe – Digitalstandort zum Arbeiten und zum Leben
„Auch die Stadt bemüht sich sehr um einen Austausch mit ihren Bürgerinnen und Bürgern“, hebt sie hervor. Die Bedeutung des Dialogs zwischen Wissenschaft, Technologie und der Öffentlichkeit ist ein zentrales Thema in ihren Ausführungen – ein Schlüssel, um Ängste zu verstehen, Bedürfnisse kennenzulernen und Akzeptanz für neue Technologien zu schaffen.
„Darüber hinaus pulsiert auch das sozio-kulturelle Leben in Karlsruhe. Epochale Baustile prägen das Karlsruher Stadtbild, genauso wie die Verbindung zur grünen Oase des Karlsruher Hardtwaldes. Klassische Museen und Galerien werden um das einzigartige und innovative Zentrum für Kunst und Medien ZKM ergänzt. Diese Angebotsvielfalt spiegelt den Geist der Stadt wieder.“
Da klopft es plötzlich an der Tür und Frau Hoffmann bringt uns eine Tasse frisch gebrühten, herrlich duftenden Kaffee herein. Während wir uns einen Schluck gönnen, schweift unser Blick durch das lichtdurchflutete Büro, vorbei an einer beeindruckenden Kollektion Orchideen und wir fragen uns, ob Marion A. Weissenberger-Eibl schon immer die Begeisterung Wissenschaft und Innovation besaß, die sie im Gespräch mit uns ausstrahlt.
Neugierde, Mut und Risikobereitschaft
„Als Kind war mir klar, dass ich in einem Beruf arbeiten möchte, in dem ich kreativ sein und mit Menschen zusammenarbeiten kann“, beginnt sie. Die Wichtigkeit, mit den Händen zu arbeiten, etwas zu erschaffen und Neues auszuprobieren, immer in der Gemeinschaft mit anderen, war für sie von Anfang an entscheidend. „Mich nur alleine einer Sache zu widmen, das erfüllt mich nicht.“ Ihre Ausbildung zur Bekleidungsschneiderin und das anschließende Studium der Bekleidungstechnik waren Schritte auf einem Weg, der sowohl von kreativer Leidenschaft als auch von einem starken strategischen Verständnis geprägt war. „An der Mode- und Textilbranche fasziniert mich, dass sie einerseits kreativ, aber andererseits auch sehr strategisch ausgerichtet ist“, erklärt Weissenberger-Eibl. Nachdem sie in der Modebranche Fuß gefasst hatte, weckte das Studium der Betriebswirtschaftslehre und die Promotion an der Technischen Universität München ihr Interesse an wirtschaftlichen Fragestellungen. Ihre Entscheidung, sich an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zu habilitieren, markierte einen weiteren bedeutenden Schritt in ihrer Karriere.
„Neugierde, Mut und Risikobereitschaft“, zählt Weissenberger-Eibl auf, als sie die Charakterzüge beschreibt, die sie ihr Leben lang begleitet haben. Diese Eigenschaften treiben sie auch heute noch an, in ihrem Bestreben, ihre Fähigkeiten zu erweitern, mehr zu wissen und zu erfahren. „Es war immer meine Motivation, auch andere Branchen kennenzulernen und von dort Erfahrungen mitzunehmen.“ In ihrer Funktion als Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und Inhaberin des Lehrstuhls für Innovations- und TechnologieManagement iTM am Institut für Entrepreneurship, Technologie-Management und Innovation (ENTECHNON) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat sie tagtäglich Gelegenheit dazu.
Karlsruhe deutschlandweit in der Vorreiterrolle bei der Zusammenarbeit
In unserem Gespräch betont sie immer wieder die Bedeutung des Austauschs mit der Öffentlichkeit: „Wir wollen die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus unseren Forschungsprojekten nicht für die Schublade oder den Elfenbeinturm erlangen, sondern gerade auch für die Gesellschaft aufbereiten. Denn nur, wenn wir alle gesellschaftlichen Akteure mit ans Steuer holen, kann eine umfassende Transformation, wie sie derzeitig notwendig ist, gelingen.“ Aber auch die permanente Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Kultur, bei der Karlsruhe deutschlandweit eine Vorreiterrolle einnimmt, ist für Weissenberger-Eibl elementar. „Digitalisierung kann ein wichtiges Werkzeug zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit sein. Doch damit digitale Technologien noch weiter diffundieren, bedarf es einer Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Die Stadt Karlsruhe kann einerseits hierfür entsprechende Formate entwickeln und anbieten und andererseits sich mit anderen Städten und Kommunen vernetzen, um voneinander zu lernen.“ Wichtig ist ihr dabei vor allem, dass Menschen digitale Lösungen mitentwickeln. Nur so bleibt der Mensch im Mittelpunkt – und es kann eine gerechte digitale Teilhabe verbunden mit einer höheren Lebensqualität für alle sichergestellt werden.
Grundprinzip des Erfolgs
Und genau dafür setzt sich Weissenberger-Eibl ein. So erfolgreich, dass die wiederholt als eine der 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet wurde. „Erfolg bedeutet für mich, wenn es mir gelingt, Fortschritt auszulösen – bei anderen Organisationen oder einzelnen Individuen oder Personengruppen“, erklärt sie mit einer Mischung aus Bescheidenheit und Bestimmtheit.
Sie erzählt, wie es sie begeistert, neue Aspekte in Diskussionen und Fragestellungen einzubringen und zu sehen, wie diese nicht nur diskutiert, sondern auch umgesetzt werden. „Dieses Grundprinzip des Erfolgs galt für mich schon früher und hat sich bis heute nicht verändert“, fügt sie hinzu. „Die Faszination für das Neue ist eine Eigenschaft, die ich schon mein gesamtes Leben in mir trage“, sagt sie. Ihr Mut, besonders in der Anfangszeit, half ihr, auf eigenen Beinen zu stehen und gegen Widerstände anzukämpfen.
Besonders betont sie ihre Kreativität und Offenheit gegenüber ungewohnten und disziplinübergreifenden Denkweisen. „Es fällt mir leicht, mich schnell auf unterschiedliche Perspektiven einzulassen“, erklärt sie. Diese Fähigkeit, potenziellen Mehrwert zu erkennen und Elemente erfolgreich in die Praxis umzusetzen, hat sie maßgeblich geprägt.
Mut zum Scheitern und zum Weitermachen
Weissenberger-Eibl spricht auch über die Bedeutung, mit Missgeschicken und Widerstand umgehen zu können und pragmatisch zu sein: „Erfreulicherweise gibt es immer mehr Professorinnen und Frauen in hohen wirtschaftlichen und politischen Positionen. Insgesamt sehe ich aber noch viel Potential. Wenn wir beispielsweise kompromisslos Gesetze, Förderungen und Werte auf nationaler Ebene in gleicher Weise auf alle Geschlechter ausrichten, kann sich dies auch positiv auf den Anteil von Frauen im Bereich der Innovation und Technologie auswirken. Die skandinavischen Länder sind hier Vorreiter.“
Aber auch Veranstaltungen wie der Digital Female Leader Awards, der erst im Herbst in Karlsruhe verliehen wurde, tragen für Marion A. Weissenberger-Eibl maßgeblich zur Sichtbarkeit von Frauen in digitalen Berufen bei. Sie reflektiert darüber, wie solche Veranstaltungen Frauen inspirieren und motivieren können. „Mich inspirierte beispielsweise Marie Curie als Forscherin in einem Umfeld, in dem es nicht gerade üblich war, sich als Frau zu bewegen und etwas zu erreichen“, erzählt sie.
Frauen brauchen Netzwerke
Aus diesem Grund freut es sie auch, dass gerade Karlsruhe die Voraussetzungen erfüllt, ein Digital Female Leader-Hotspot zu werden. Sie rät jungen Frauen, das Netzwerken nicht zu unterschätzen und sich nicht davor zu scheuen, anzuecken oder eine unpopuläre Meinung zu vertreten. „Wertvolle Ideen können gerade dann entstehen, wenn sie außerhalb der Konventionen entwickelt werden“, fügt sie hinzu. Um sich als Hotspot zu etablieren, müssen jedoch auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie beispielsweise gute Betreuungs- und Freizeitangebote für Kinder sowie attraktive Schulen.
Es ist faszinierend, Weissenberger-Eibl bei ihren Ausführungen, die sie mit so viel Überzeugung vorträgt, zuzuhören. Beim Blick auf die Uhr stellen wir allerdings fest, dass unser Termin bald schon zu Ende ist. Wir hätten noch so viele Fragen, entschließen uns aber, zum Schluss noch etwas mehr über den Alltag und das Privatleben der Institutsleiterin in Erfahrung zu bringen.
Kein Tag gleicht dem anderen
„Einen Arbeitsalltag im eigentlichen Sinne gibt es bei mir nicht“, beginnt sie. Ihre Arbeit als Ingenieurin und Betriebswirtin mit Fokus auf die Entstehungsbedingungen und Auswirkungen von Innovationen bringt eine Vielzahl von Aufgaben mit sich. Sie beschreibt ihren Arbeitstag als geprägt von intensivem Austausch im Team. „Interdisziplinarität zeichnet unser Team aus“, erklärt sie und hebt damit hervor, wie ihr Team von Expertise aus verschiedensten Bereichen profitiert. Der Austausch im gesamten Institut, sei es in Form von Ausschüssen, Strategietagen oder dem Doktorandenprogramm, ist für sie von zentraler Bedeutung.
Weissenberger-Eibl betont außerdem die Wichtigkeit regelmäßiger Teilnahme an Veranstaltungen wie Vorträgen und Konferenzen: „Ein solcher Informationsaustausch hilft uns, ein differenziertes und ganzheitliches Bild zu bekommen“. Ihre Aktivitäten in politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gremien, ihre beratende Tätigkeit und ihre Lehre am Karlsruher Institut für Technologie sind weitere wichtige Aspekte ihres Berufslebens.
Wandern als Ausgleich
Auf die Frage nach Routinen oder Hobbys, die ihr helfen, abzuschalten, spricht sie von ihrer Leidenschaft für das Wandern. „Das Wandern hat für mich eine große Bedeutung“, sagt sie. Die Faszination für unberührte Naturlandschaften, das Abschalten und Entspannen in der Natur, das Sammeln von Energie und neuen Ideen – all das findet sie beim Wandern. „Beim Durchschnaufen während der Wanderpausen gelange ich zu neuen Ideen und Visionen“, fügt sie hinzu, erwähnend, dass sie immer Papier und Stift dabeihat.
Aber nicht nur große Wanderungen sind für sie wichtig, auch E-Bike-Touren in und um Karlsruhe bieten ihr die Möglichkeit, die Region zu erkunden und zu genießen. Ob es zum Lieblings-Eiscafé geht oder zu neuen Orten in der Umgebung – solche Aktivitäten erlauben ihr, den Arbeitsalltag hinter sich zu lassen und sich zu regenerieren.
Mit diesen privaten Einblicken endet unser Gespräch mit Marion A. Weissenberger-Eibl. Auf unserem Weg nach draußen beobachten wir zahlreiche Mitarbeitende, die sich nach ihrer Mittagspause noch zu angeregten Gesprächen bei einem Kaffee an den Stehtischen zusammengefunden haben. Andere genießen im Innenhof die Sonnenstrahlen dieses schönen Wintertags.
Beim Verlassen des Institutsgeländes blicken wir zurück auf das Gebäude des ISI und die dahinterliegenden Sportanlagen, die sich hinter den grünen Baumwipfeln des Traugott-Bender-Sportparks verstecken. Diese Oase der Wissenschaft und Innovation, so nah an der Natur und doch pulsierend mit fortschrittlichem Denken, hinterlässt bei uns einen bleibenden Eindruck.