Spielerisch die Welt verbessern: Hybride bizplay über das Gaming in der Wirtschaft

Karlsruher bizplay meets creatables

Vollkommen entspannt sitzen Christian Armin und Max Zentawer mit ihren Gitarren auf der Bühne des Karlsruher Kulturzentrums Tollhaus. Das Publikum verfolgt die Darbietungen der beiden Saitenvirtuosen entweder von den Besucherplätzen vor der Bühne oder per Livestream zuhause vor dem Bildschirm. Die getragenen Jazzmelodien sind allerdings nicht der Höhepunkt eines Konzerts, sondern die musikalische Einstimmung auf die Gaming-Konferenz bizplay, die am 15. Oktober 2020 in Karlsruhe stattfand.

Kreative Impulse und der Blick über den Tellerrand sind dort durchaus erwünscht; denn auch bei der diesjährigen Auflage der Fachkonferenz standen die Synergie-Effekte von Digitalisierung und Kreativität im Mittelpunkt von zahlreichen Fachvorträgen. Wegen der Corona-Pandemie ging die Veranstaltung zum ersten Mal als Hybrid aus Präsenzvorträgen und Streams über die Bühne. Und das Fazit der Veranstalter Karlsruher Messe- und Kongress GmbH, der Kultur- und Kreativwirtschaft Karlsruhe (K3) und der MFG Baden-Württemberg fällt am Ende ausschließlich positiv aus: Karlsruhe hat sich einmal mehr als perfekter Standort für ein digitales Event erwiesen und Referent*innen wie die Brasilianerin Estella Renner mussten nicht extra nach Deutschland einfliegen.

„Spielen und Arbeit haben nicht mehr zusammengepasst“

„Die intellektuelle Revolution hat uns das Spielen genommen. Spielen und Arbeit haben anscheinend nicht mehr zusammengepasst“, betonte Filmregisseurin Renner. Dabei sei das Spiel geradezu elementar für die Weiterentwicklung der individuellen Intelligenz, und deshalb müssten komplexe Prozesse immer mit spielerischen Elementen angereichert werden. Bei ihrer täglichen Arbeit will Renner die Menschen vor allem mit der Macht von Bildern für eine Sache begeistern. Die Regisseurin und Drehbuchautorin produziert mit ihren Unternehmen Maria Farinha Filmes deshalb Filme, mit denen sie für den Kampf gegen den Klimawandel, Missstände in Entwicklungsländern oder die Arbeit von Hilfsorganisationen wirbt. „Die Nachrichten lassen einen oft verzweifeln. Manchmal glaubt man, dass die ganze Welt nur aus Hass besteht“, nennt Renner einen Grund für ihre Arbeit. Laut mehreren​ Umfragen wünschen sich aber 65 Prozent der Menschen eine Veränderung, und setzen sich daher für Umweltschutz ein. Der Klimawandel ist Realität und deshalb müssen wir dagegen vorgehen“, appelliert Renner. Die Idee zu den Filmen sei ihr während der Gespräche mit Vertreter*innen von Umweltschutzorganisationen gekommen. „Die bloßen Fakten zum Klimawandel sind oft sehr trocken. Wenn man die Botschaft aber in Bilder verpackt, kann man Emotionen wecken und Geschichten erzählen. Und Geschichten können Menschen verändern“, sagte Renner. Mittlerweile sind einige ihrer Filme auf Netflix und Videocam.com zu sehen. Außerdem dürfen die Filme öffentlich gezeigt werden.

Foto: bizplay meets creatables

Medienkompetente Menschenrechtsaktivisten

Junge Leute für die Arbeit von Menschenrechtsaktivisten begeistern, will auch Anja Reiß mit ihrem Film „Truth Detectives“. Künftig will die Regisseurin Ansätze aus der Gaming-Szene zur Ansprache von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nutzen. Mit dem Computerspiel „Truth Detectives – A very serious game“, das durch den Digital Content Fund der MFG Baden-Württemberg gefördert und derzeit entwickelt wird, will Reiß eine neue Zielgruppe ansprechen. „Durch die Arbeit an dem Film haben wir ein großes Netzwerk aus Aktivist*innen geknüpft. Da haben wir gemerkt, dass sich viele dieser Leute bei Spielen kennen gelernt und anschließend über Menschenrechte diskutiert haben“, so Reiß. Menschenrechte und Medienkompetenz passten offenbar sehr gut zusammen. Spätestens seit den zahlreichen Demonstrationen der Fridays for Future-Bewegung sei klar geworden, dass die heutige Generation der Jugendlichen politisiert sei. Wegen der Corona-Pandemie sei die soziale Interaktion aber schwerer geworden. Deshalb brauche es nun passende Plattformen, in denen die Leute interagieren und sich für eine besser Welt einsetzen können.

ZKM wirft Blick auf die Critical Zone

Besonders nah liegen Videospielkultur und der Kampf gegen Klimawandel derzeit auch im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe zusammen. In der obersten Etage gibt es die Dauerausstellung „Gameplay. The next Level“, im Lichthof die großen Installationen der Sonderschau „Critical Zones“. „Das Medium Ausstellung hat das Potenzial, um neue Denkweisen zu eröffnen und die Menschen zum Nachdenken anzuregen“, sagt Barbara Kiolbassa von der Museumskommunikation des ZKM. Mit „Critical Zones“ soll Besucher*innen klar gemacht werden, dass der Mensch die Erde nicht nur bewohnt und von außen betrachten kann, sondern dass das Schicksal der Menschheit untrennbar mit dem ihrer Umwelt zusammenhängt. „Wir müssen verstehen, dass wir nicht auf der Erde leben. Sondern mittendrin in einem Netzwerk“, so Kiolbassa. „Mitten in der kritischen Zone, also dieser dünnen Zone, in der Leben überhaupt erst möglich ist.“

Über die bizplay: Die bizplay ist bundesweit eine der wichtigsten Veranstaltungen für die Anwendung spieltypischer Elemente. Der eintägige Kongress widmet sich in Karlsruhe seit 2012 stetig wachsend den Themen Gamification und Game Design sowie deren Auswirkung auf die Bereiche Unternehmen, Kunst & Design und Technologie.