Eine gemeinsame Sprache finden - Wie Sprach-KI’s Menschen zusammenbringen

Zum Interview mit Prof. Dr. Niehuis

In einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle, um Menschen, Kulturen und Ideen miteinander zu verbinden. Doch trotz technischer Fortschritte bleiben Sprachbarrieren oft ein Hindernis für den Austausch. Hier setzen Sprachtechnologien an: Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) ist es möglich, Texte zu übersetzen, Sprachbarrieren zu überwinden und sogar komplexe Interaktionen in Echtzeit zu unterstützen. Diese Technologien entwickeln sich in rasantem Tempo und verändern nicht nur unseren Alltag, sondern auch unsere Art zu kommunizieren.

Prof. Dr. Jan Niehues, Leiter der Forschungsgruppe „KI für Sprachtechnologien“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), beschäftigt sich intensiv mit den Chancen und Herausforderungen, die durch den Einsatz von Sprach-KI entstehen. Im Gespräch erläutert er, wie moderne Methoden wie Deep Learning dazu beitragen, die Grenzen der maschinellen Sprachverarbeitung zu verschieben, und gibt Einblicke, wo diese Technologien bereits heute eingesetzt werden. Dabei wirft er auch einen kritischen Blick auf die ethischen Aspekte und potenziellen Risiken, die mit der Entwicklung von KI-Systemen einhergehen. Dieses Interview bietet einen spannenden Einblick in die transformative Kraft der Sprach-KI – und zeigt, wie sie Menschen helfen kann, einander besser zu verstehen.

Market Snapshot - Machine Translation Market Marktgröße und Marktanteilsanalyse für maschinelle Übersetzung – Wachstumstrends und Prognosen (2024–2029). Mordor Intelligence. Abgerufen am 20. November 2024: Quelle

karslruhe.digital (k.d): Herr Prof. Dr. Niehues, was genau bezeichnet man als Sprachtechnologien im Kontext von KI und welche grundlegenden Technologien kommen dabei zum Einsatz?

Jan Niehues (JN): Sprachtechnologien sind Methoden, die sich mit der Verarbeitung von natürlicher Sprache, also Sprachen, die wir sprechen wie z.B. Deutsch und nicht von künstlicher wie z.B. Programmiersprachen, beschäftigen. Obwohl es für Mensch relativ einfach ist, Sprachen zu verstehen und ihre Mehrdeutigkeiten aufzulösen, stellte dies für Computer lange eine sehr große Herausforderung dar. Obwohl Computer schon seit fast 30 Jahren besser Schach spielen können als jeder Mensch, hatten Sie lange Zeit große Schwierigkeiten beispielsweise zu verstehen, wann mit einem “Vorzeichen” das Omen und wann das Vorzeichen in der Mathematik gemeint ist. Um dieses Problem zu lösen, benutzen wir aktuell Verfahren, die auf den Methoden des „Deep Learning“ basieren.

k.d: Sprachtechnologien wie Large Language Models (LLMs) durchdringen unseren Alltag immer stärker. Wo begegnen uns diese Sprachtechnologien im Alltag, vielleicht sogar ohne dass wir es direkt merken?

JN: Sogenannte “Large Language Modelle” werden immer häufiger als Hilfe bei der Erstellung von Texten benutzt. Das heißt, ein bedeutender Teil der Texte, die wir heutzutage lesen, wurde wahrscheinlich mit Unterstützung von Sprachtechnologie geschrieben.

k.d: Apropos Texte – insbesondere Übersetzer:innen wehren sich gegen den Einsatz von KI und argumentieren, dass Übersetzung von Literatur beispielsweise viel Wissen über kulturellen Kontext, Humor und künstlerischen Einsatz erfordert. Welche Vorteile haben hingegen die Künstlichen Intelligenzen?

JN: Künstliche Intelligenz hat zum einen den Vorteil, dass sie preiswerter ist und schneller zur Verfügung steht. Daher ermöglicht sie vor allem die Übersetzung von Texten, die ohne Künstliche Intelligenz gar nicht übersetzt würden. Oder ein Beispiel aus der Universität: Die Vorlesungen können nicht von einem Übersetzer live übersetzt werden, um Studierenden, die noch nicht gut genug Deutsch sprechen können, einen einfacheren Zugang zu gewähren. Mit KI ist dies anders. Mittels des Vorlesungsübersetzers können wir Vorlesungen an der Universität direkt in eine andere Sprache übersetzen.

k.d: Bleiben wir bei Ihrem Beispiel, in dem eine Sprachbarriere durch die KI aufgelöst wird. Wo sehen sie weitere Chancen von Sprachtechnologien für die Gesellschaft?

JN: Sie können uns ihn vielen Lebenslagen helfen. Wir sind auf einmal in der Lage, Texte in fremden Sprache zu lesen oder uns mit Menschen zu unterhalten, die andere Sprachen sprechen. Somit können sie hier schon heute helfen barriereärmer zu werden. Sie können uns unterstützen mehr Informationen zu bekommen oder mit der Informationsflut zurecht zu kommen. Wie viele Technologien können sie natürlich auch einen negativen Effekt haben, z.B. bei der Erstellung von Fake News. Daher finde ich es sehr wichtig, dass wir über die Methoden, Chancen und Risiken dieser Technologien mehr lernen.

k.d: Sehen Sie auch Grenzen der Möglichkeiten von Sprach-KI?

JN: Wie gesagt, kann sie uns helfen mit Menschen in anderen Sprachen zu kommunizieren, sie kann uns helfen schneller und besser Briefe, Berichte oder Artikel zu formulieren. Sie wird deshalb auch einen großen Einfluss darauf haben, wie wir in Zukunft kommunizieren. Dies kann aber auch dazu führen, sehr gut zu lesende Dokumente zu bekommen, deren Inhalte aber nicht stimmen. Daher ist das kritische Hinterfragen der Texte noch wichtiger und vielleicht auch noch schwieriger.

k.d: Haben Sie ethische Überlegungen in Bezug auf die Entwicklung von KI?

JN: Wie bei den meisten neuen Technologien, gibt es bei der KI natürlich auch Gefahren, dass diese bedenklich bösartig eingesetzt werden, beispielsweise zur Generierung von Fake News. Daher denke ich, dass es sehr wichtig ist, über diese Technologien zu informieren und sich ihrer Chancen und Risiken bewusst zu sein, um sie richtig einzuschätzen und besser erkennen zu können, wo es sich um Fake News handelt. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, dass KI Systeme Vorurteile verstärken können. Hier ist es wichtig, dies als Forschungsfrage aufzunehmen und Methoden zu entwickeln, um diese negativen Auswirkungen zu verringern, so wie dies aktuell auch in der Forschungsgemeinschaft der Fall ist.

k.d: Was hat Sie persönlich während Ihrer Forschungsarbeit bislang am meisten überrascht oder begeistert?

JN: Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich das Feld entwickelt und wir schnell wir bessere Ergebnisse bekommen. Darüber hinaus finde ich es sehr interessant, wie Menschen diese Systeme einsetzen und ihren Alltag durch diese Tools zu verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch.